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Ernährung & Konsum

Food Waste Forum 2014 – Erste Erfolge, neue Perspektiven

Ein Drittel aller produzierten Kalorien landen im Müll. Der Verein foodwaste.ch gibt Gegensteuer und organisierte heuer zum zweiten Mal ein nationales Food Waste Forum. Tobias Sennhauser (TIF) war dabei.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Der 2012 gegründete Verein foodwaste.ch sensibilisiert die Bevölkerung für die Lebensmittelverschwendung. Nun organisierte das Kompetenzzentrum das zweite nationale Forum zur Reduktion von Lebensmittelabfällen und wollte wissen: was hat sich bisher bewegt? Die Trendforscherin Hanni Rützler eröffnete das Forum. Letztes Jahr kostete sie vor laufender Kamera den ersten Laborburger. Darin sieht die Österreicherin eine potentielle Fleischalternative, die Ressourcen einspart. Denn „Fleisch ist keine Privatsache“, stellt Rützler klar und prognostiziert den Konsum von Insekten und pflanzlicher Ernährung. Im Anschluss präsentierte Martina Blaser vom Bundesamt für Umwelt erste Einsichten aus einer brandaktuellen Bevölkerungsbefragung. Die meisten KonsumentInnen würden ihren Anteil an der Lebensmittelverschwendung unterschätzen und glaubten fälschlicherweise: „Food Waste ist ein Problem der anderen“. Der Unternehmer Raoul Stöckle warb daraufhin für sein Start-Up Äss-Bar. Das Motto: frisch von gestern. Zusammen mit sechs Angestellten unterhält der Zürcher einen Laden, in dem Brot vom Vortag verkauft wird. Zwar räumt er ein, die Lebensmittelverschwendung damit nur minimal zu verringern, doch die internationale Medienpräsenz würde zur Sensibilisierung beitragen. Innovativ zeigte sich auch der Berner Koch Mirko Buri. Mit seinem Projekt Mein Küchenchef lassen sich Take-Away-Menus selber zusammenstellen. Für Buri ist das „eine Antwort auf konventionellen Fastfood“. Reste verwertet er zu 100% zu Gemüsefonds oder selbstgemachter Bouillon. Daraufhin verteilte sich das rund 200-köpfige Fachpublikum in vier Parallelsessionen. Dort wurde unter anderem die Rolle der Gemeinden zur Reduktion von Lebensmittelabfällen thematisiert. Leider blieb die Diskussion beim städtischen Abfallmanagement stecken, das freilich in der Kompetenz der Gemeinden liegt. Für neue, verschwendungsarme Produktionsmethoden wie Urban Gardening oder Vertragslandwirtschaft, die von Gemeinden gefördert werden könnten, blieb indes keine Zeit. Nach einem vegetarisch-veganen Mittagessen kam die Lebensmittelindustrie zu Wort. Der Norweger Lebensmitteltechnologe Askild Holck forscht an einem CO2-Gemisch, das die Bildung von Bakterienpopulationen verhindern soll. Damit soll abgepacktes Fleisch länger gelagert werden können. Rebeca Navarro Villanueva vom Lebensmittelkonzern Unilever skizzierte im Anschluss eine Unternehmensperspektive auf das Thema Lebensmittelverschwendung und riet zur Zusammenarbeit mit GeschäftspartnerInnen – zum Beispiel am World Economic Forum (WEF). Wie man aus Abfällen Kapital schlägt, demonstriert das multinationale Unternehmen Infré: das von der Teepflanze extrahierte Abfallprodukt Koffein findet sowohl in der Pharma- als auch in der Getränkeindustrie reissenden Absatz. Verwaltungsratspräsident Martin Hodler versuchte gar nicht erst, seine kapitalistischen Motive zu verheimlichen: „es ist ein Kampf um Marktanteile“. Food Waste ist da sekundär. Das Food Waste Forum 2014 begann mit regional verankerten, sozialen und ökologischen Innovationen und endete mit technokratischen, kapitalintensiven Ideen. Wie ehrlich und nachhaltig die Absichten der Konzerne tatsächlich sind, bleibt abzuwarten. Zweifellos gelang den OrganisatorInnen wie bereits letztes Jahr ein kurzweiliges Forum, das Druck auf die Konsum- und Wegwerfgesellschaft ausüben wird.

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1 Kommentar

Marc Bonanomi
vor 9 Jahre

„Fleisch ist keine Privatsache“, gut gesagt! Auch Milch etc nicht!

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