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Ernährung & Konsum

Coop melkt sich reich

Mit einer neuen Werbekampagne für die Billiglinie "Prix Garantie" sorgt der Detailriese Coop für rote Köpfe. Doch die Rechnung scheint aufzugehen. Von Tobias Sennhauser (TIF).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Im Jahr 2005 lancierte Grossverteiler Coop seine Billiglinie „Prix Garantie„. Heute umfasst die Marke über 400 Produkte, die das Budget der KonsumentInnen spürbar entlasten sollen. Kurz vor dem 10-jährigen Jubiläum verpasste der Grossverteiler sämtlichen Produkten neue Logos und Verpackungen. Um das neue Design zu kommunizieren, startete der Detailriese diesen Sommer eine umfassende Werbekampagne. Die Kampagne greift zahlreiche Artikel auf und verweist mit munteren Werbeslogans auf die „Tiefpreisgarantie“, die gemäss Angaben von Coop immer so günstig wie die Tiefpreislinien der Konkurrenz seien. Zu den beworbenen Billigprodukten gehört auch Kuhmilch: „Wir haben die Kuh und den Preis gemolken“, wirbt Coop.

„Coop ist kein Bioladen“

In ihrer Imagewerbung inszeniert sich Coop gerne als Biopionierin und verweist auf die Zusammenarbeit mit Pro Specie Rara oder Slow Food. Was das Tierwohl betrifft, erhielt der Konzern vom Schweizer Tierschutz (STS) in seinem 2013 veröffentlichten Bericht „Tierschutz im Lebensmittelhandel“ Bestnoten. Doch nun melkt Coop die Preise. Ist das kein Widerspruch? Mediensprecher Urs Meier sieht in der aktuellen Werbekampagne keine Gefahr für das Image des Detailisten, der seit Jahren mit dem Schweizer Tierschutz (STS) zusammenarbeitet. „Es wird für ein Produkt geworben, das von Tieren produziert wird, welche artgerecht gehalten werden“, erklärt Meier auf Anfrage von tier-im-fokus.ch (TIF). Dem widerspricht Helen Sandmeier vom STS vehement: „Eine Haltungsform, die es erlaubt, dass Kühe während rund 270 Tagen im Jahr ständig im Stall angebunden gehalten werden dürfen und nur an 90 Tagen kurz mal auf die Weide können, ist ganz sicher nicht artgerecht.“ Doch auch eine permanente Weidehaltung könnte die system-immanenten Probleme der Milchproduktion nicht lösen. Das Leben von Kühen ist von Schwangerschaft und Hochleistung geprägt. Um auf stets hohem Niveau Milch zu produzieren, müssen Kühe jährlich ein Kalb gebären. Dieses wird der Kuh wenige Stunden oder Tage nach der Geburt entrissen. Kurz darauf wird die Kuh erneut besamt. Sandmeier schätzt zwar das Engagement von Coop, zum Beispiel in Sachen Zweinutzungshuhn, meint jedoch: „Aber machen wir uns nichts vor – Coop ist kein Bioladen.“ Gerade mal 8% aller verkaufter Lebensmittel werden biologisch produziert. Billiglinien wie „Prix Garantie“ seien eine Realität und entsprächen wohl auch einem Kundenbedürfnis.

Geiz ist Geil

Auch Ulrike Minkner von der BäuerInnen-Gewerkschaft Uniterre stört sich massiv an der Niedrigpreisstrategie des Detailriesen. „Grundsätzlich zeichnet Coop mit seiner Werbung eine heile Welt, die meist eine ländliche Idylle mit behornten Kühen und kernigen Bauern vorspielt sowie Nachhaltigkeit und Umweltschutz ins Zentrum rückt“, kritisiert Minkner. In dieser Werbewelt sollten sich die KonsumentInnen wohlfühlen. Selbst die Schweizerischen Milchproduzenten (SMP), deren Propagandaorganisation Swissmilk stets auf zynische Werbeinhalte zurückgreift, findet Coops Werbekampagne „ziemlich daneben“, so SMP-Direktor Kurt Nüesch gegenüber TIF. „Offenbar möchte Coop vermehrt auch Konsumenten in ihre Läden holen, für die nur ein möglichst tiefer Preis zählt.“

Coop mit Milliardenumsatz

Doch auch ein tiefer Preis kann sich rechnen. Die Strategie der Coop-Gruppe scheint jedenfalls aufzugehen. Der Konzern – dem Tankstellen, Restaurants, Banken, Kosmetik- und Elektronikfirmen oder Reisebüros im In- und Ausland gehören – erwirtschaftete 2013 einen Nettoerlös von 27 Milliarden Franken. Dies obwohl letztes Jahr der Detailhandel im Vergleich zur Schweizer Gesamtwirtschaft unterdurchschnittlich wuchs. Ein Faktor dafür sei der Einkaufstourismus im grenznahen Ausland, wie Coop im jüngsten Geschäftsbericht schreibt. Die visuell aufgepeppte Billiglinie soll nun die KundInnenbindung fördern und dem Biomarktleader Marktanteile im unteren Preissegment sichern.

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