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Ernährung & Konsum

Steuermillionen für Fleischwerbung

Der Staat fördert Fleischwerbung mit Steuermillionen. Damit soll die inländische Produktion gegenüber Importen privilegiert werden. Doch das Vorhaben ist widersprüchlich. Von Tobias Sennhauser (TIF).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Der Staat fördert Fleischwerbung mit Steuermillionen. Das machten jüngst die Tierrechtsgruppe Zürich im Antidot sowie Kurt Marti auf Infosperber publik. Daraufhin fand das Thema via Tagesanzeiger auch in die Massenmedien. Es geht um die sogenannte Absatzförderung, wozu auch die Fleischwerbung zählt. Die gesetzliche Grundlage dafür bilden das Landwirtschaftsgesetz sowie die Landwirtschaftliche Absatzförderverordnung (LAfV). Die Fördergelder werden vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) für TV- oder Plakatwerbung sowie Sponsoring und Events vergeben. Die Finanzhilfe beträgt maximal 50% der Kosten. Bis 2017 stehen jährlich 56 Millionen an Steuergeldern für Absatzfördermassnahmen zur Verfügung. Die Branchenorganisation Proviande kassiert davon für 2015 CHF 5.8 Millionen. Für die Unterstützung ihrer Marke „Schweizer Fleisch“ musste die Branchenorganisation der Fleischindustrie dem BLW ein Marketing-Konzept vorlegen. tier-im-fokus.ch (TIF) blieb die Einsicht auf Anfrage verwehrt. Das seien „geschäftsrelevante Daten“, so das BLW.

Mehr Geld den Reichen

Einsicht erhielt TIF jedoch in eine Portfolio-Analyse zur Absatzförderung, wozu das BLW gemäss LAfV verpflichtet ist. Es dient der strategischen Vorsteuerung der Mittelverteilung. Ein Blick in die Portfolio-Analyse zeigt: Es sind primär Tierprodukte, die vom Staat mittels Absatzfördermassnahmen unterstützt werden. Und das obwohl die Fleisch-, Milch- und Eierindustrie mit einem Anteil von 50% des gesamten landwirtschaftlichen Produktionswertes dominieren. Grundlage für Absatzfördermassnahmen bildet die Attraktivität der Zielmärkte. Eine Reihe ökonomischer Kriterien wie Marktgrösse, Investitionsbereitschaft oder Export ergeben gemäss der Portfolio-Analyse für die Fleischabsatzförderung rund 15% der Gelder. Diese fliessen allesamt zu Proviande und finanzieren etwa die omnipräsenten Plakate „Schweizer Fleisch – alles andere ist Beilage“ mit. Zum Vergleich: die Absatzförderung von Gemüse beansprucht gerade mal rund 1.8% der Absatzfördermittel. Noch mehr kassieren übrigens die Milch- und Käseindustrie, und zwar rund 17% respektive 45% der Bundesgelder. Während die Milch bei sämtlichen Parametern, die zur Mittelvergabe relevant sind, punktet, ist es beim Käse primär der Export: mit einem Volumen von einer halben Milliarde Schweizer Franken illustriert die Käseindustrie ihre globalwirtschaftliche Potenz.

EEK: zuviel Fleisch macht krank

Wie hoch die Absatzförderung ausfällt, basiert alleine auf wirtschaftlichen Kriterien. Gesundheitliches ist bei der Mittelverteilung dagegen irrelevant. Das würde nichts über die Investionsattraktivität aussagen, steht in der Portfolio-Analyse. Dabei steht der Fleischkonsum gesundheitlich in der Kritik. 2014 forderte ein Expertenbericht der Eidgenössischen Ernährungskommission (EEK) eine drastische Reduktion des Fleischkonsums. Wer regelmässig verarbeitetes oder rotes Fleisch konsumiere, habe eine erhöhte Sterblichkeit von 30%. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) prüft nun, ob in den Merkblättern zur Schweizer Lebensmittelpyramide Anpassungen vorgenommen werden müssen. Doch schon jetzt ist klar: „Es sollte auch öfter ein fleischloser Tag eingelegt werden“, lässt das BLV auf Anfrage von TIF verlauten. Dabei setzt die Landwirtschaftliche Absatzförderverordnung (LAfV) auch Schranken. So sind Tabak, Spirituosen und Betäubungsmittel von Fördermassnahmen ausgeschlossen. Das seien Produkte, wobei der Bund eine aktive Präventionspolitik betreibt oder es rechtliche Werbebeschränkungen gibt, erklärt Patrik Aebi, Leiter Fachbereich Qualitäts- und Absatzförderung des BLW.

Fleisch ja, Tabak nein?

Bei Tabakwaren votiert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für Werbebeschränkungen. „Tabakwerbung beeinflusst nicht nur die Markenwahl bestehender Raucherinnen und Raucher, sondern erhöht die Gesamtnachfrage“, schreibt das BAG auf seiner Webseite. Dies gälte auch für Verkaufsfördermassnahmen wie Wettbewerbe und Sponsoring. Steigert die Fleischabsatzförderung nicht ebenso die Gesamtnachfrage nach Fleisch? Patrik Aebi (BLW) will sich dazu nicht äussern. „Die Analyse von Werbewirkungen ist eine komplexe Angelegenheit.“ Es bedürfe zuerst einer wissenschaftlichen Untersuchung, inwiefern sich die Produkte Tabak und Fleisch bei Zielgruppen oder Konsumverhalten vergleichen lassen. Man wolle mit der Proviande-Förderung nicht generell den Fleischkonsum ankurbeln. „Es geht um die Positionierung von Schweizer Produkten gegenüber Importe“, behauptet das BLW gegenüber TIF.

„Iss mehr Fleisch“

Der Konsumismus-Experte Franz Hochstrasser sieht das anders. „Im Unterschied zu vielen anderen Werbesprüchen, die ein Gebrauchswert-, ein Genuss- oder gar ein Glücksversprechen abgeben, handelt es sich hier um einen verkappten Befehl“, so Hochstrasser. Zwischen den Zeilen würde damit zum Fleischkonsum aufgerufen. Zusätzlich ziehe Fleischwerbung die Menschen in die Läden, wo sie sowohl inländisches Fleisch wie auch Importe vorfinden. „Damit entpuppt sich die BLW-Förderung zugleich als Subventionierung des Importfleisches“, gibt Hochstrasser zu bedenken. Wolle man gegen die sozio-ökonomischen und ökologischen Folgen der Fleischproduktion etwas tun, rät Hochstrasser im Sinne der Mässigung (Suffizienz), den Fleischkonsum zu reduzieren oder gar darauf zu verzichten.

40% FlexitarierInnen, vegan im Trend

Das tun bereits viele. Heute gelten sogenannte FlexitarierInnen, die regelmässig bewusst auf Fleisch verzichten, in wirtschaftlichen Kreisen als potente Zielgruppe. Gemäss einer Studie von Coop im Jahr 2012 sind das immerhin 40% der Bevölkerung. Mehr noch 2014: Der Detailriese bezeichnet die vegane Ernährung als Trend. Entgegen dieser gesellschaftlichen Entwicklung bleibt Fleischwerbung vom Staat subventioniert. „Damit deutet sich ein klarer Konflikt an zwischen dem Allgemeininteresse an nachhaltiger Produktion und Konsumweise und dem Sonderinteresse – hier dem Vorrang von Fleisch vor den sogenannten Beilagen –, wie es von Proviande verfolgt wird“, bilanziert Konsumismus-Experte Hochstrasser.
Freiwillig wird Proviande nicht auf die millionenschwere Finanzspritze verzichten. Deshalb braucht es politischen Druck. Wenn Du deine Steuern nicht in Fleischwerbung investieren möchtest, unterzeichne jetzt die Petition Keine Steuermillionen für Proviande und teile sie auf sozialen Netzwerken oder lade Dir einen Unterschriftsbogen zum Auflegen runter.
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2 Kommentare

Rolf Nandez
vor 8 Jahre

Eine Frechheit! Sogar die Billag-Steuern werden aus Profitgiergründen für Tierleidwerbung missbraucht. Ebenso die Steuergelder für Tierschutz. Was ist daran neutral, liebe Schweiz? Politiker sollten per Gesetz gezwungen werden können, ihr Gehirn einschalten zu müssen. Ebenso Lehrer sowie Pfarrer. <3 lichen Dank und Gruss @TIF

Jürg Schwaller
vor 9 Jahre

Die Schweiz ist den USA, dem Homeland der Fleischfresser beim Geldverteilen für PR für tierische Produkte um Welten voraus………..Pro Einwohner fliessen bei den Amerikanern Fr.1.35 in die Werbung für Fleisch und tierische Produkte; bei uns werden pro Schweizer der Fleisch-, Milch-,Käse-,Eiermafia von unserer„Elite“im Bundeshaus aus Steuergeldern, die auch Mitschweizern, die keine Tiere essen wollen per Zwangsabgabe abgenommen werden, nach Giesskannensystem ZEHN MAL soviel, nämlich über 120 Mio. Franken zur PR, Vermaktung und Verbilligung tierischer Produkte in die gierigen Rächen gestopft. Die vom Steuerzahler finanzierte Schweizer realitätsfremde Landwirtschaftspolitik verteilt Volksvermögen an die Giganten der Nahrungsmittelmafia. Die Milchbarone von Emmi nützen die diversen Schweizer Gesetzeslücken und Selbstbedienungskässeli um sich mit den, ursprünglich zur Stützung der Landwirtschaft eingerichteten Marktentlastungsfonds und Verkäsungszulage eine goldene Nase zu verdienen; Allein der Luzerner Milchmulti „garniert“ vom Bund jährlich weit über 5o Millionen Franken dafür, dass er hochwertige Lebensmittel denaturiert, indem er CH-Qualitätsmilch zu wertlosem Industriekäse verarbeitet, mit Exportprämien zum Nulltarif ins Ausland verkauft, wo billiges Palmfett aus brandgerodeten Regenwaldflächen daruntergemischt wird und als Analogkäse und/oder verarbeitet in Fertigprodukten wieder, auch in die Schweiz, re-exportiert wird. Das ist Diebstahl an den Subventionen, die den –leider wenigen- seriös arbeitenden CH-Bauern und Milchverarbeitern vorenthalten werden.

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