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Haustiere im Porträt

Herr Wels – oder: Der mit den Antennen auf dem Kopf

Schüchtern ist er, zurückhaltend und meist für sich irgendwo in der Ecke in seinem Versteck. Aber unglaublich beeindruckend mit seinem Geweih und fast schon erhaben. Und wenn man ganz still ist, hört man ihn beim Essen Holz raspeln. Oder Zucchini. Cristina Roduner erzählt uns über ihre Beziehung zu dem Herrn Wels.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Herr Wels ist kein Alien. Er schaut mit seinen Antennen nur so aus. „Wofür die Dinger wohl gut sind?„, fragte ich mich, als ich Herrn Wels zum ersten Mal sah.
Erst später lernte ich, dass diese Antennen nicht nur namensgebend für diese Welsart – den  Antennenwels – sind, sondern auch, dass sie aus sogenannten Hautzähnen bestehen. Man nennt das Ganze auch „Tentakelgeweih“. Aber wofür diese Antennen denn nun genau gedacht sind, darüber gibt es verschiedene Theorien. Dass Herr Wels und ich eines Tages zusammen wohnen werden, war mir bei unserem ersten Treffen nicht klar. Ich war einfach fasziniert ob dieser Fremdartigkeit, denn Fische waren für mich bisher vor allem hübsch, farbig und zappelig. Nicht so Herr Wels. Der hat eine braune Haut mit helleren Tupfen. Am liebsten sitzt er in einer dunklen Ecke, gerne unter Holz und zeigt sich selten. Schüchtern ist er, oder zumindest zurückhaltend. Er „schwimmt“ nicht gerne auf andere zu – weder auf andere Fische noch auf Menschen. Ganz untypisch ist das zwar nicht für Antennenwelse, die sind nämlich von Grund auf eher ruhige Wesen. In einschlägigen Aquarienbüchern werden sie deshalb gerne mal als „Anfängerfische“ angepriesen. Sie haben geringe Ansprüche, sind friedlich und die Herren beeindrucken mit ihrem Tentakelgeweih. Mit 20 Jahren Lebenserwartung gehören sie zu den Methusalems unter den Fischen. Mit entsprechender weiblicher Gefolgschaft, vermehren sich die Herren Antennenwelse freudig und reichlich. So reichlich, dass Aquarienforen mit Beiträgen verzweifelter Menschen überquellen, die eine „Antennenwels-Schwemme“ haben und nicht wissen, wohin mit dem Nachwuchs. Und kaum jemand will sie, denn es gibt sie wie Sand am Meer. Das führt dann dazu, dass Antennenwelse in völlig überfüllten Becken leben – oder das WC runtergespült werden.

Der Anfang einer grossen Liebe

Herr Wels stammt selber aus solch einer „Schwemme“ und wurde von einer Kollegin von mir übernommen. Sie nimmt seit vielen Jahren unerwünschte Fische auf. Sie überredete mich, ein Occasion-Aquarium anzuschaffen. Ich stimmte zu – und die Geschichte von Herrn Wels und mir nahm ihren Lauf. 2014 zog er, in Begleitung zweier Wels-Damen, bei mir ein. Es dauerte nicht lange und das neue Zuhause von Herr Wels war bevölkert mit weiteren Notfallfischen. Doch Welsnachwuchs gab es keinen. Herr Wels scheint nicht an körperlicher Interaktion mit den Damen interessiert zu sein. Er bleibt lieber für sich. Aus einschlägiger Literatur weiss ich, dass Homosexualität auch unter Fischen vorkommt. Unglücklich bin ich darüber nicht. Anstelle für Nachwuchs zu sorgen, ruht sich Herr Wels lieber aus. Unter Wurzeln oder auch gerne mal hinter dem Filter. Diesen lockert er dann in tagelanger Arbeit, bis er dahinter passt. Eh bien, soll er, wenn er möchte. Wenn er nicht gerade Filter umwuchtet, dann widmet er sich gerne dem Essen. Zucchini und Holz sind seine Leibspeise. Und wenn man ganz nahe vor dem Aquarium sitzt und still ist, dann hört man ihn sein Essen raspeln. Übrigens, besonders gerne schaue ich ihm beim Schlafen zu. Er hängt sich gerne mit seinem Raspelmund kopfüber an eine Wurzel. Wenn er besonders tief schläft, lässt der Sog beim Mund nach und er sinkt sachte auf den Rücken. Wo er dann mit weit geöffnetem Mund liegt und schläft und schläft und schläft.
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