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Abstimmung

TIF sagt «Ja, aber» zur Agrarwende

Am 23. September 2018 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über zwei Volksinitiativen ab, die die Landwirtschaft grundlegend verändern wollen. Tier im Fokus (TIF) unterstützt sie – mit Vorbehalten.

Text: Tier im Fokus (TIF)

«Wir haben es satt!» – so lautete der Schlachtruf, der in Deutschland Zehntausende auf die Strasse lockte. Sie protestierten gegen Monokulturen, Pestizide, Massentierhaltung und Antibiotika. Sie forderten nichts weniger als eine Agrarwende. Die Schweizer*innen äusserten ihren Unmut per Unterschrift: Eine ganze Reihe von Volksinitiativen fordern einen grundlegenden Wandel in der Landwirtschaft. Über die ersten beiden stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung am 23. September 2018 ab. Auch TIF hat jetzt die Parolen gefasst: «Ja, aber».

Faire Lebensmittel als Standard

Die Grüne Partei ist eine Vorreiterin. Wie kaum eine andere Partei macht sie die Ernährung zum Politikum. Denn ja, die Auswirkungen auf unsere Umwelt sind riesig, die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft verletzen oft die Menschenrechte und Tiere werden in der Industrie wie eine Ware gehandelt. Mit ihrer Fair-Food-Initiative wollen die Grünen das ändern. Laut Initiativtext «stärkt [der Bund] das Angebot an Lebensmitteln, die von guter Qualität und sicher sind und die umwelt- und ressourcenschonend, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden.» Und: Das alles soll auch für Importe gelten. Dabei stellt die Initiative der weltweiten Tierindustrie ein Bein. Mit Fair-Food dürften nur noch jene Tierprodukte importiert werden, die den Schweizer Standards entsprechen. Importierten Produkten aus tierquälerischer Massentierhaltung würde die Initiative den Riegel schieben. Stopfleber etwa gäbe es in der Schweiz künftig nicht mehr zu kaufen. Somit tangiert die Initiative die Geschäfte der Tierindustrie, die zunehmends auf den Weltmarkt ausgerichtet sind.

Wider den Strukturwandel

Noch weiter geht die Initiative «Ja zur Ernährungssouveränität» von der Bauerngewerkschaft Uniterre. Sie fordert eine Agrarpolitik nach den Prinzipen der Ernährungssouveränität: nachhaltige Produktion, faire Preise für Bäuer*innen, keine Gentechnik sowie Rahmenbedingungen, damit wieder mehr Leute in der Landwirtschaft arbeiten. Die angestrebte bäuerliche Landwirtschaft produziert primär menschliche Nahrung. Sie kommt ohne industrielle Massentierhaltung aus und lässt die Futtermittel primär auf heimischem Boden wachsen. Ansonsten bleibt die Initiative zur Tierhaltung vage. Und doch würde sie die Schweizer Tierindustrie treffen. Indem die Initiative die Direktvermarktung fördert, umschifft sie die Detailhändler Migros und Coop – die beiden grossen Player in der Schweizer Tierindustrie. Sie müssten mit finanziellen Einbussen rechnen, ihre Dominanz würde schwinden.

Keine Kritik am Warenstatus

Einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Tieren ist mit den beiden Initiativen indes nicht zu erwarten. Bei Fair-Food schwingt gar die Botschaft mit, dass das Schweizer Tierschutzgesetz von besonderer Qualität sei. Dieser Meinung sind wir bei TIF freilich nicht. Unsere Recherchen wie Schweine-Report oder Hühner-Schwindel bezeugen immer wieder das Gegenteil. Für uns bedeutet «fair» immer auch «vegan». Unglücklich ist bei Fair-Food auch, dass gerade bei den Importen von Futtermitteln eine Ausnahme gemacht wird. Sie müssen gemäss Initiativtext nicht aus nachhaltiger und fairer Produktion stammen. Mit anderen Worten: Für Soja, das für unsere sogenannten Nutztiere aus Südamerika importiert wird, darf weiterhin die Natur ausgebeutet und Menschenrechte verletzt werden. Die Initiative für Ernährungssouveränität schliesst diese wichtige Lücke.

Ein strategisches «Ja»

Die Initiativen für Fair-Food und Ernährungssouveränität sind auch strategisch wichtig. Sie zeigen auf, dass in der Landwirtschaft alles zusammen kommt: Menschenrechte, Tierrechte und Ökologie. Für die Tierrechtsbewegung ist das eine Gelegenheit, um mit anderen politischen Strömungen neue Allianzen zu schmieden. Das kann sich in Zukunft auszahlen. Ausserdem stehen viele weitere Volksinitiativen an, die ebenso grundlegenden Wandel anstreben: Die Trinkwasser-Initiative, die Pestizid-Initiative sowie die Initiative gegen Massentierhaltung. Gemeinsam fordern sie die Agrarwende in der Schweiz. Wenn nun die ersten beiden Initiativen angenommen werden, haben es die folgenden Initiativen leichter.

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