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Agrarpolitik

Runter mit den Tierbeständen, rauf mit dem bäuerlichen Einkommen!

Kürzlich schloss die Vernehmlassung zur Agrarpolitik ab 2022 (AP22+). Die Tierrechtsorganisation Tier im Fokus (TIF) fordert in ihrer Stellungnahme eine Umverteilung der Subventionen: weg von den Tieren hin zu den Menschen.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Unser Fernziel ist die Abschaffung der Nutztierhaltung. Dazu muss die Nachfrage nach tierlichen Produkten sinken, was wir etwa mit unserer Vegan Challenge erreichen wollen. Um den Strukturwandel hin zu einer Landwirtschaft ohne Tierausbeutung zu beschleunigen, nehmen wir auch Einfluss auf die Agrarpolitik. So äusserten wir uns etwa bei der jüngsten Vernehmlassung zur Agrarpolitik ab 2022 (AP22+).

Was ist eine Vernehmlassung?

Die Vernehmlassung ist eine Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren. Bevor der Bundesrat dem Parlament einen neuen Gesetzesentwurf vorlegt, geht der Vorschlag in die Vernehmlassung. Dabei können verschiedene Interessengruppen, die Parteien und die Kantone zum Entwurf Stellung nehmen. Bei Vernehmlassungen zur Agrarpolitik äussert sich jeweils auch TIF.

Eine Milliarde Subventionen für die Tierindustrie

Das Schweizer Agrarbudget beträgt über drei Milliarden Franken pro Jahr. Davon fliesst rund ein Drittel direkt oder indirekt in die Tierindustrie, etwa für silagefreie und verkäste Milch (300 Mio), graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion (GMF, über 100 Mio) und die sogenannten Tierwohlprogramme BTS und RAUS (270 Mio). [1] Hinzu kommen Subventionen für den Futtermittelanbau (rund 300 Mio). Zwar mögen diese Subventionen auf den ersten Blick in die richtige Richtung gehen: mehr Platz für weniger Tiere und weniger Kraftfuttereinsatz. Doch sorgen diese Gelder auch dafür, dass die Tierbestände in der Schweiz künstlich hoch bleiben. Hohe Tierbestände wiederum senken die Preise, wodurch der Konsum tierlicher Produkte ansteigt. Dabei ist der Tierbestand in der Schweiz derart gross, dass die Landwirtschaft sämtliche Umweltziele verfehlt. [2] Selbst Agroscope, die Forschungsanstalt des Bundes, empfiehlt nun, die Tierbestände zu verringern. [3]

Die Tierbestände reduzieren

Um die Tierbestände zu verringern, fordert TIF einen Paradigmenwechsel bei den Subventionen: Statt fortschrittliche Tierhaltung zu fördern sollen rückständige Praktiken verteuert werden. Damit verlieren Tierhaltende den Anreiz, immer mehr Tiere zu halten. Auch das Konsumverhalten muss sich ändern. Um die Nachfrage zu senken, müssen Schweizer Tierprodukte verteuert werden. Dazu will TIF sämtliche Tierhaltungen verbieten, die nicht RAUS und BTS entsprechen. Ausserdem soll der Staat die Werbung für Fleisch, Milch und Eier nicht länger finanziell unterstützen. Damit bei den steigenden Preisen nicht der Einkaufstourismus zunimmt, braucht es höhere Zölle für importiere Tierprodukte. Die Bäuer*innen erhalten so gleich lange Spiesse wie ihre Branchenkolleg*innen im Ausland. Analog braucht es einen Zollaufschlag auf importierte Futtermittel. [4] Auch subventionierte Futtermittel verbilligen die Tierprodukte. Derzeit wird rund die Hälfte des Schweizer Ackerlandes für den Anbau von Futtermitteln verwendet. Dazu zählen auch Zuckerrüben, da ein Teil davon im Futtertrog landet.

Ein Grundeinkommen für Bäuer*innen

Laut Berechnungen von TIF stünden durch die Streichung der Subventionen für die Tierproduktion rund CHF 700 Millionen zur Verfügung. Streicht man zusätzlich die Direktzahlungen für Futtermittel wären es insgesamt gar über eine Milliarde Franken. TIF schlägt vor, dieses Geld direkt als sogenannten Betriebsbeitrag an die Bäuer*innen auszuzahlen. Dieser soll sich nicht nach der bearbeiteten Fläche richten, wie das heute bei den meisten Direktzahlungen üblich ist, sondern nach dem Arbeitsaufwand. Mit einem Betriebsbeitrag würde u.a. der Anbau von Gemüse, Obst, Beeren und Nüssen attraktiver. Solche Spezialkulturen kosten viel Arbeit, beanspruchen für die gleiche Wertschöpfung aber weniger Land. Zudem verursachen sie weniger Umweltschäden als die Tierproduktion. Für die Landwirtschaft wäre das eine Chance, die bisher verfehlten Umweltziele zu erreichen. Für die Bäuer*innen wäre dieser Betriebsbeitrag ein spürbarer Zusatzverdienst: Wenn man die eingesparte Milliarde auf alle Betriebe verteilt, kommt man auf durchschnittlich 20.000 Franken pro Betrieb und Jahr.

Die Forderungen von TIF zur Agrarpolitik 2022+ (AP22+)

  1. Reduktion aller Tierbestände. Verbot von Tierhaltungen, die nicht BTS und RAUS entsprechen. Dazu flankierende Zollbestimmungen, um den Einkaufstourismus zu verhindern.
  2. Keine Subventionen für die Tierindustrie. Streichung jeglicher staatlicher Unterstützung für Schweine- und Geflügelmastanlagen sowie Eierproduktionsbetriebe inklusive den entsprechenden Investitionskrediten. Streichung der Gelder für BTS, RAUS und GMF. Zudem Abschaffung der sogenannten Einzelkulturbeiträge für Futterkulturen und Zuckerrüben.
  3. Keine staatliche Unterstützung der Werbung. Der Staat soll auf die Absatzförderung von Fleisch, Milch und Eier verzichten und damit den Konsum von tierlichen Produkten nicht weiter ankurbeln.
  4. Feed no food. Keine Verfütterung von importierten oder zum Zweck der Verfütterung im Inland angebauten Ackerfrüchten an Tiere.
  5. Weg von den Tieren, hin zu Menschen. Die bei der Tierindustrie eingesparten Subventionen sollen den Bäuer*innen in Form eines Betriebsbeitrag ausbezahlt werden.
Wir sind uns bewusst, dass unsere Forderungen den bereits hohen Druck auf die Landwirtschaft zusätzlich verstärken. Die Bäuer*innen können sich aber darauf verlassen, dass wir uns bei den Konsumierenden für den Absatz der pflanzlichen Erzeugnisse einsetzen. Nicht über staatlich finanzierte PR-Agenturen wie Proviande oder Swissmilk, sondern gesellschaftliches Engagement.

Quellen und Anmerkungen

[1] BTS und RAUS sind die beiden sogenannten Tierwohlprogramme des Bundes. Im Rahmen der Kampagne «Der grosse Hühner-Schwindel» deckte TIF systematische Missstände bei der BTS-Hühnermast auf und forderte, die entsprechenden Subventionen zu streichen.

[2] Umweltziele Landwirtschaft (2016), Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und Bundesamt für Umwelt (Bafu).

[3] Reduktionspotenziale von Treibhausgasemissionen aus der Schweizer Nutztierhaltung (2018), Bretscher D., Ammann Ch., Wüst Ch., Nyfeler A., Felder D., Agrarforschung Schweiz 9 (11+12), 376–383.

[4] Anmerkung: Die Zollbestimmungen sind zwar in dieser Vernehmlassung kein Thema. Dennoch gehören sie politisch zusammen.

«Niemand muss ins Gras beissen. Neue Studie über vegane Landwirtschaft in der Schweiz»

vortrag_leugger_sebastian Die Schweiz sei ein Grasland, beteuert die Tierindustrie immer wieder. Stimmt das? Wir wollen es genau wissen und geben eine Studie zum Potenzial der veganen Landwirtschaft in der Schweiz in Auftrag. Projektleiter Sebastian Leugger (TIF) stellt das Projekt in einem Vortrag vor.

Weitere TIF-Materialien zur Agrarpolitik

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2 Kommentare

Tobi
vor 5 Jahre

Liebe Tierhilfe Schweiz, danke für eure Rückmeldung!

Tierhilfe Schweiz
vor 5 Jahre

Danke an tif für diese tolle Studie. Genau so sollte die Schweizer Landwirtschaft aussehen.

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