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Ernährung & Konsum

Diabetes und der Konsum tierlicher Produkte

Der Diabetes gehört zu den am meisten verbreiteten Zivilisationskrankheiten. Wie die Jahre zuvor, macht die International Diabetes Federation (IDF) am internationalen Weltdiabetestag auf die drohende "Epidemie des 21. Jahrhunderts" aufmerksam. Dass die Ernährung und insbesondere der Konsum tierlicher Produkte einen Einfluss auf das Risiko hat, an Diabetes zu erkranken, ist inzwischen belegt.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Der Diabetes gehört zu den weltweit am meisten verbreiteten Volkskrankheiten. Bereits jetzt wird die Zahl der DiabeterInnen auf 250 Millionen geschätzt, das sind 6 Prozent der Weltbevölkerung (IDF 2006). Man geht davon aus, dass sie bis 2025 auf 380 Millionen ansteigen wird. In der Schweiz sind etwa 300.000 PatientInnen von Diabetes betroffen (4 Prozent der Bevölkerung), die Dunkelziffer soll rund 100.000 Menschen betragen. Nach Angaben der Schweizerischen Diabetes-Gesellschaft ist jährlich mit 20.000 neu diagnostizierten Fällen zu rechnen.

Wie die Jahre zuvor, macht die International Diabetes Federation (IDF) am internationalen Weltdiabetestag (14. November) auf die drohende „Epidemie des 21. Jahrhunderts“ aufmerksam.

Was ist Diabetes?

Bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) handelt es sich um eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, die mit einer Störung des Kohlenhydratstoffwechsels einhergehen. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2.

Bei Typ-1-Diabetes (auch „Jugend­diabetes“ genannt) wird aufgrund einer Zerstörung der insulinbildenden Zellen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) kein Insulin mehr erzeugt. Typ-1-DiabetikerInnen sind so­mit zeitlebens auf eine Insulintherapie angewiesen.

Wesentlich häufiger ist Typ-2-Diabetes, dem mittlerweile fast 95 Prozent aller Diabetesfälle zuzu­rechnen sind. Er wurde früher „Altersdiabetes“ ge­nannt, doch sind vermehrt auch Jugendliche oder Kinder davon betroffen.

Welches sind die Ursachen von Diabetes?

Typ-2-Diabetes ist eine typische Wohlstandserkrankung („Lifestyle-Er­krankung“), die in hohem Masse mit Be­wegungsmangel und Übergewicht verbunden wird.

Wenn man zu viel und zu fettreich isst und sich wenig bewegt, wird dem Körper ständig Glucose in hohen Mengen an­geboten. Dadurch ist der Insulinspiegel permanent erhöht, was zu einer Erlahmung der Insu­linrezeptoren führt. Diese verminderte Insulinwir­kung (Insulinresistenz) betrifft vor allem die Muskula­tur. Weil die entsprechenden Muskelzellen wenig Glucose aufnehmen können, werden die Leber so­wie das Fettgewebe mit Glucose überschwemmt. Dies wiederum hat eine Fettleberbildung sowie eine Zu­nahme des Fettgewebes zur Folge.

Welchen Einfluss hat die Ernährung auf Diabetes?

Über 80 Prozent der Typ-2-Dia­betikerInnen sind adipös, d.h. erheblich übergewichtig (Kofranyi & Wirths 2008, S. 212). Diesen Befund führen Fachleute unter anderem auf einen erhöhten Verzehr von tierlichen Produkten zurück. Entsprechend wird eine signifikante Reduktion oder der Verzicht auf solche Nahrungsmittel als eine der sinnvollsten vorbeugenden und therapeutischen Mass­nahmen bei Typ-2-Diabetes erachtet (Kugler (Hrsg.) 2008, S. 76). Diese Einsicht basiert auf zahl­reichen Studien, denen zufolge Menschen, die sich vorwiegend oder ausschliesslich pflanzlich ernähren, durchschnittlich schlanker sind als Misch­köstlerInnen und daher auch ein verminder­tes Diabe­tes­risiko aufweisen (Barnard 2009; Tonstad 2009).

Umgekehrt ist der regelmässige Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten sowohl bei Frau­en als auch bei Männern mit einem erhöhten Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, assoziiert (Vang et al. 2008; Aune et al. 2009a). Ein solcher Zusammenhang besteht insbesondere beim Konsum von rotem Fleisch. Der Grund besteht darin, dass dadurch vermehrt Hämeisen absorbiert wird, das ist eine Eisenverbindung, die nur im Fleisch vorkommt (Rajpathak et al. 2009). Bei Eisen, das nicht an Häm gebunden ist (pflanzliches Eisen), konnte ein solcher Zusammenhang nicht nachge­wiesen werden (Qi et al. 2007).

Auch ist seit längerem bekannt, dass gesättigte Fettsäuren die Empfindlichkeit der Insulinrezeptoren herabsetzen. Da die Zellmembranen selbst zu einem hohen Prozentsatz aus Fettsäuren bestehen, ist das Fettsäuremuster der Nahrung massgebend dafür verantwortlich, welche Fettsäuren in die Zellmembranen eingebaut werden.

Nun enthalten Fleisch sowie teilweise auch Milchprodukte aber relativ hohe Mengen an gesättigten Fettsäuren, welche die Insulinsensitivität vermindern und eine Insulinresistenz fördern können (Papa­konstantinou et al. 2005). Werden gesättigte durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren ersetzt, kommt es hingegen zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität (Murakami et al. 2005).

Um eine Insulinresistenz und den chronisch erhöhten Insulinspiegel zu normalisieren, werden ge­nerell pflanzliche Lebensmittel empfohlen, die für eine verzögerte Glucoseresorption sorgen. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel langsamer an und die Insulinsensitivität der Gewebe wird erhöht. Zu diesen Lebensmitteln gehören beispielsweise Vollkorn­pro­dukte. Gemäss diversen Studien weisen Personen mit dem höchsten Verzehr an Vollkorn­produkten ein bis zu 27 Prozent vermindertes Risiko auf, an Dia­betes zu erkranken. Hingegen sind die Studienergebnisse zum Effekt von Obst und Gemüse auf das Diabetesrisiko bislang widersprüchlich (Ströhle et al. 2006).

Tabelle: Prävention und Therapie des Diabetes mellitus; Quelle: Leitzmann & Keller 2010, S. 112f

Krankheitskosten des Diabetes

Die Kosten des Diabetes mellites sind beträchtlich, wie auch die Schweizerische Diabetes-Stiftung hervorhebt. So verusacht in der Schweiz eine PatientIn mit Diabetes im Schnitt jährlich CHF 4.000 direkte Krankheitskosten (Arztbesuche, Medikamente, etc.), was bei mindestens 300.000 Betroffenen (siehe oben) rund CHF 1.2 Milliarden ergibt oder 2.5 Prozent der gesamten Gesundheitskosten der Schweiz (für das Jahr 2002).

Werden die indirekten Kosten (z.B. Arbeitsausfälle) hinzugerechnet, verursachen DiabetikerInnen rund CHF 5 Milliarden pro Jahr. Von einer weiteren Milliarde Schweizer Franken ist die Rede, wenn zusätzlich Folgekosten (wie z.B. die Behandlung des diabetischen Fusssyndroms) miteinbezogen werden.

Lesen Sie auch unser Info-Dossier Fleischkonsum und Gesundheit (25/2010).

Quellen

Aune, D. et al. (2009a), Meat consumption and the risk of type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis of cohort studies, in: Diabetologia August 2009.

Barnard, N. D. et al. (2009), A low-fat vegan diet and a conventional diabetes diet in the treatment of type 2 diabetes: a randomized, controlled, 74-wk clinical trial, in: American Journal of Clinical Nutrition 89/2009.

IDF (2006), Diabetes epidemic out of control, Pressemitteilung der International Diabetes Federartion vom 04.12.2006.

Kugler, H.-G. (Hrsg.) (2008), Vegetarisch essen – Fleisch vergessen, Marktheidenfeld.

Kofranyi, E. & Wirths, W. (2008), Einführung in die Ernährungslehre, Neustadt (12. Aufl.).

Leitzmann, C. & Keller, M. (2010), Vegetarische Ernährung. Stuttgart.

Murakami, K. et al. (2005), Effect of dietary factors on incidence of type 2 diabetes: a systematic review of cohort studies, in: Journal of Nutrional Science and Vitaminology 51/2005.

Qi, L. et al. (2007), Heme iron from diet as a risk factor for coronary heart disease in women with Type 2 Diabetes, in: Diabetes Care 30/2007.

Papakonstantinou, E. et al. (2005), Food Group Consumption and Glycemic Control in People With and Without Type-2-Diabetes, The ATTICA study, in: Diabetes Care 28/2005.

Rajpathak, S. N. et al. (2009), The role of iron in type 2 diabetes in humans, in: Biochimica et Biophysica Acta 1790/2009.

Ströhle et al. (2006), Vegetarische Ernährung, in: Wiener Klinische Wochenschrift 118/2006.

Tonstad, S. et al. (2009), Type of Vegetarian Diet, Body Weight and Prevalence of Type 2 Diabetes, in: Diabetes Care April 2009.

Vang, A. et al. (2008), Meats, processed meats, obesity, weight gain and occurrence of diabetes among adults: Findings from Adventist Health Studies, in: Annals of Nutrition & Metabolic 52/2008.

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