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Rezension

„Animal Rights“ (Paul Waldau)

Was sollten wir über alle die Rechte der Tiere wissen? Das neue Buch des amerikanischen Philosophen und Kulturwissenschaftlers Paul Waldau hat darauf 79 Antworten parat. Eine Rezension von Klaus Petrus (tif).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Paul Waldau, Animal Rights, Oxford, ca. CHF 15.–

Was müssen wir alle eigentlich über Tierrechte wissen? Paul Waldau, ehemaliger Direktor des Center for Animals and Public Policy an der Tufts University, hat viel über diese Frage nachgedacht, er hat die Literatur der letzten Jahrzehnte durchforstet, über seine langjährige Erfahrung als akademischer Lehrer sinniert und daraufhin eine Landkarte entworfen mit einigen Eckpunkten, von denen aus er dieses grosse Thema angeht: Um welche Tiere geht es hier eigentlich? Was spricht philosophisch für Tierrechte, was dagegen? Welche Rolle spielt das Gesetz? Welche kulturellen, sozialen oder politischen Hindernisse gibt es bei der Umsetzung von Tierrechten und wie können sie überwunden werden? Und überhaupt, wie geht es mit den Tierrechten weiter?

79 Fragen zu Tierrechten

Dabei herausgekommen ist ein gut lesbares, didaktisch äusserst geschickt arrangiertes Handbuch mit dem Titel Animal Rights: What Everyone Needs to Know, das auf rund 200 Seiten alle wichtigen Themen der zeitgenössischen Tierethik behandelt – oder wenigstens anspricht. Tatsächlich hätte ein Buch dieser Statur leicht ein oberflächliches werden können. Was aber nicht der Fall ist. Dass es Waldau gelingt, Marginales von Wesentlichem zu trennen, hat gewiss mit seiner Kenntnis und Routine zu tun, aber auch mit dem Aufbau des Buches: Der Autor nimmt sich rund 80 Fragen vor, die thematisch gegliedert sind, bei grundsätzlichen Problemen ansetzen und von dort in die Details gehen.

So beginnt Waldau mit der basalen Unterscheidung zwischen moralischen und juridischen Rechten (Kap. 1), die entsprechend in gesonderten Kapiteln über die philosophische Begründung (Kap. 3) sowie die gesetzliche Implementierung von Tierrechten (Kap. 5) vertieft wird. Eine ähnliche Strategie verfolgt der Autor bei der Frage, für welche Tiere sich eigentlich Rechte einfordern lassen: Ausgehend von Problemen der biologischen Kategorisierung von Tierarten kommt Waldau zum einen auf den Status unterschiedlicher „Nutztiere“ zu reden (Kap. 2); zum anderen geht es ihm aber auch um das Bild, das namentlich in Natur- und Sozialwissenschaften von Tieren gezeichnet wird und das dazu beiträgt, das Konstrukt vom „Tier als das Andere“ aufrechtzuerhalten (Kap. 7 und 9).

Auch hinsichtlich der Frage, wie sich derlei festgefahrene Vorstellungen zumindest aufweichen lassen, setzt der Autor zunächst basal an: Er verweist auf die Geschichte sowie die unterschiedlichen sozio-kulturellen Ausprägungen der Mensch/Tier-Beziehung (Kap. 4 und 7) und diskutiert auf dieser Grundlage eine Reihe von politischen Problemen, die sich insbesondere in liberalen Gesellschaften bei der Realisierung von Tierrechten ergeben (Kap. 6).

Tierrechte: nicht nur eine Sache der Ethik

Bei all dem geht Waldau entschieden, aber auch behutsam vor. Seine eigenen Auffassungen möchte er den LeserInnen jedenfalls nicht aufdrängen, und das aus Überzeugung. Denn Waldau gibt sich ausgesprochen skeptisch gegenüber einer oder sogar der Theorie über Tierrechte (xiiff.). Entsprechend allgemein möchte er den Ausdruck „Tierrechte“ verstanden wissen: Letztlich gehe es dabei um einen fundamentalen Anspruch auf Schutz (protection) des Wohls und Lebens aller Tiere. Darin sieht der Autor den kleinsten Nenner, auf den sich unterschiedlichste Positionen verständigen können – oder sollten –, um dann gemeinsam an einer sukzessiven Umsetzung dieses begründeten Anspruchs zu arbeiten (Kap. 11).

Dass auf diese Weise Ethiken als „Tierrechte“-Positionen aufscheinen, die sich teilweise vehement gegen die Verleihung von Rechten aussprechen (z.B. Utilitarismus oder Tugendethik) oder dass konkurrierende Strategien (wie z.B. Abolitionismus und Reformismus) gleichermassen der „Tierrechtsbewegung“ zugeordnet werden, wird man dem Autor vorwerfen dürfen.

Allerdings würde er dies wohl nicht als Schwäche, sondern eher als eine Stärke seines Ansatzes werten. Denn offensichtlich ist Waldau der Überzeugung, das Thema „Tierrechte“ sei nicht allein Sache einer Fundamentalethik, sondern ein multidisziplinäres Unterfangen, das auch soziologische, gesellschaftspolitische, individualpsychologische, religiöse, kulturelle sowie juridische Aspekte zu berück­sichtigen hat.

What does it mean for me?

Angesichts dessen scheint der Rekurs auf eine „reine Ethik“, die davon handelt, wie sich Menschen idealerweise gegenüber anderen Tieren verhalten sollten, bestenfalls ein Mosaiksteinchen in der Analyse der vielschichtigen Mensch/Tier-Beziehung zu sein.

Waldau selbst plädiert jedenfalls dafür, die faktischen Bedingungen, unter denen wir mit Tieren interagieren, nicht aus den Augen zu verlieren. Denn genau innerhalb dieser Kontexte – seien es lebensweltliche, kulturelle oder politische – würden die Menschen danach fragen, was es mit den Rechten der Tiere eigentlich auf sich hat.

Waldaus Anspruch besteht letztlich darin, die wichtigsten dieser Fragen aufzuwerfen und zu beantworten. Und das ist ihm gelungen – bis auf diese Ausnahme: What does animal rights mean for me? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für meinen Umgang mit den Tieren, was heisst das z.B. für mein Konsumverhalten?

Davon ist bei Waldau höchstens am Rande die Rede. Doch wie auch immer die Antwort auf diese Frage ausfallen mag – dass sie zu stellen ist, gehört unbestritten zu alledem, what everyone needs to know about animal rights.

Eine abgeänderte Version dieser Buchbesprechung erschien in der Fachzeitschrift Tierethik 2011.

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