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Interview

„Es darf keine neuen Delfine geben“

Immer wieder steht Connyland, das einzige Delifinarium der Schweiz, in der Kritik. Jetzt wird die Sache zum Politikum: Die Nationalrätin Isabelle Chevalley möchte ein Verbot der Delfinhaltung. Ein Exklusiv-Interview von Tobias Sennhauser (TIF) mit der grünliberalen Politikerin.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Connyland, das einzige Delfinarium in der Schweiz, steht seit einiger Zeit im Fokus der Öffentlichkeit. Acht Delfine sind seit 2008 verstorben, zwei davon innert einer Woche im November 2011. Daraufhin schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein und liess die Todesursache klären. Das Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich kam zum Schluss, dass die Delfine infolge einer Antibiotikabehandlung starben. Für die Staatsanwaltschaft Grund genug, gegen zwei Veterinäre zu ermitteln.

Die BetreiberInnen von Connyland behaupteten ihrerseits hartnäckig, die beiden Delfine seien vergiftet worden. Zudem sehen sie sich als Opfer von scharfen Attacken seitens „sogenannter Tierschutzorganisationen“. Damit gemeint sind wohl OceanCare, die sich seit über 20 Jahren gegen die Gefangenhaltung von Delfinen in der Schweiz einsetzt, sowie das deutsche Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF), das Connyland in die Schlagzeilen brachte, indem es Missstände bei der Delfinhaltung aufdeckte.

Seit den letzten beiden Todesfällen wurde der Fall Connyland endgültig zum Politikum und die Delfinhaltung stand plötzlich grundsätzlich in der Kritik. Diesen Meinungsumschwung nutzte Isabelle Chevalley, Nationalrätin für die Grünliberalen, und konfrontierte das Parlament mit ihrem Anliegen: die Haltung von Delfinen gehört in der Schweiz verboten. Tobias Sennhauser (TIF) hat mit der Politikerin gesprochen.

TOBIAS SENNHAUSER: Isabelle Chevalley, Sie haben in der Frühlingssession im Nationalrat einen Antrag eingereicht, der ein generelles Haltungsverbot von Walen und Delfinen fordert. Was hat Sie dazu bewogen?
Isabelle Chevalley: Ich setze mich seit Jahren für Tiere ein. Zuerst bei der Organisation Terre et Faune, die für den Schutz von bedrohten Tierarten kämpft, zudem sitze ich seit einigen Jahren im Komitee des Schweizer Tierschutz (STS).

Nun ist die Grosse Kammer Ihrer Argumentation gefolgt und hat das Anliegen mit 112 zu 60 Stimmen gutgeheissen. Wie erklären Sie sich dieses deutliche Votum?
Während zwei Wochen habe ich intensiv für meinen Antrag lobbyiert. Ich traf zahlreiche ParlamentarierInnen, was mich viel Zeit gekostet hat. Doch es war die Mühe Wert. Ausserdem bekam ich tatkräftige Unterstützung unter anderem von Daniel Jositsch (SP).

In den Medien war von der „Lex Connyland“ zu lesen. Tatsächlich ist das Delfinarium im Thurgau der einzige Schweizer Unterhaltungspark, der Defline hält und damit von der Gesetzesänderung betroffen wäre. Hatten Sie beim Einreichen des Antrages die Schliessung des Connylands im Hinterkopf?
Im Connyland gibt es seit vielen Jahren Probleme. Da dürfen die EigentümerInnen nicht erwarten, dass die PolitikerInnen mit verschränkten Armen zuschauen. Meiner Meinung nach kann das Connyland seine drei Delfine behalten, falls es die Tiere gut behandelt. Neue Delfine darf es aber keine mehr geben. Sollten im Connyland wieder Probleme bei der Haltung auftauchen, müsste man die Tiere anderswo unterbringen.

Erich Brandenberger, Geschäftsführer von Connyland, kommentierte den Entscheid des Nationalrates folgendermassen: „Wenn man die Haltung der Delfine verbietet, müsste man auch die Haltung von Tigern, von Löwen, von Elefanten, von Eisbären und Menschenaffen verbieten“. Wollen Sie nebst den Delfinarien auch die Zoos abschaffen?
Das ist eine normale Reaktion von Brandenberger, weil er keine anderen Argumente hat. Im Übrigen ist die Behauptung völlig falsch: Wir haben während der Debatte klar gemacht, dass wir nicht gegen Zoos sind. Im Gegensatz etwa zu Löwen ist die Haltung von Delfinen unter vernünftigen Bedingungen unmöglich. Sogar ein Goldfisch hat in einem Aquarium mit Kieselsteinen und Korallen mehr Beschäftigungsmöglichkeiten als ein Delfin in seinem leeren Bassin. Ein Löwe in einem Park kann auf einen Felsen oder einen Baum klettern oder sich einen Unterschlupf suchen. Was aber macht ein Delfin den ganzen Tag?

Am Tag nach Ihrem Antrag debattierte der Ständerat über eine abgeänderte Variante von Pascale Bruderer (SP, AG). Darin geht es lediglich um ein Importverbot für Wale und Delfine. Auch dieser Antrag wurde mit 22 zu 19 Stimmen gutgeheissen. Was halten Sie von diesem Kompromiss?
Das ist ein guter Kompromiss, den ich voll und ganz unterstütze. Im Gegensatz zu meinem Antrag müsste man keine Übergangseinrichtungen für die Delfine im Connyland installieren.

Ihr modifizierter Antrag geht nun zurück in den Nationalrat: In der Sommersession 2012 wird dieser über ein Importverbot von Walen und Delfinen debattieren. Was sind Ihre Erwartungen?
Ich denke, der Nationalrat wird den Kompromiss akzeptieren, denn: Wer zum Ganzen ja sagen kann, kann auch zu einem Teil ja sagen.

Aus dem Französischen von Tobias Sennhauser.

Die grünliberale Isabelle Chevalley gehört seit 2011 dem Nationalrat an. Sie war zwischen 2001 und 2012 Generalsekretärin der Organisation Terre et Faune und setzt sich politisch immer wieder für Belange des Tier- und Umweltschutzes ein.

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