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Nutztierhaltung

Stopfen bis zum Ende

Die Herstellung ist in der Schweiz verboten, der Verkauf als "Delikatesse" aber bringt nach wie vor viel Geld – so oder so bewegt die Foie gras die Gemüter. Ein Hintergrundartikel von Klaus Petrus (TIF) zum heutigen weltweiten Aktionstag gegen Stopfleber.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Niemand kennt jemanden, der so etwas isst. Oder doch? Tatsache ist: In den letzten 10 Jahren hat die Nachfrage nach der „Fettleber“ von Enten und Gänsen wieder zugenommen, von 208 Tonnen jährlich auf 300 Tonnen. Viele der Produkte stammen aus dem benachbarten Frankreich oder aus Ungarn und Rumänien und kommen roh oder als Pastete, Terrine und Brotaufstriche in die Regale der großen Verteiler: Migros, Coop, Denner, Aldi, Lidl, Spar, Manor, Globus, Jemoli – sie alle machen ihr Geld mit der Leber.

Subtile Unterschiede

Die Detailhändler freilich beharren auf subtilen Unterschieden, denn: Foie gras sei noch lange nicht gleich Foie gras. Globus etwa fordert von seinen ProduzentInnen, die Enten und Gänse „tierfreundlich“ zu mästen, was bedeutet: nicht mit einem Metallrohr, sondern einem Gummischlauch. Das Prozedere bleibt das Gleiche: Rund zwei, drei Wochen vor ihrer Schlachtung wird den Tieren mehrmals täglich per Hydraulik- oder Luftdruckpumpe jeweils an die 800 Gramm Maisbrei oder Schweinefett in den Rachen gepumpt – und zwar so lange, bis die Leber einen Fettgehalt von bis zu 50 Prozent aufweist und über ein Kilogramm wiegt, was zehnmal mehr ist als normalerweise.

Auch die Migros findet, das Stopfen mit dem Kautschukrohr sei eine schonende Methode. Tatsächlich bringt sie aber vor allem den Tierhaltern Vorteile: Erstens kann die Mästung auf diese Weise massiv beschleunigt werden – das Stopfen dauert inzwischen noch 3 Sekunden pro Tier –, und zweitens lassen sich Schäden und Einbußen minimieren, da weniger Tiere verletzt werden. Was sich – Kautschukrohr hin oder her – nicht ändert ist, dass auch diese Tiere an Verdauungsproblemen, Atembeschwerden, Verletzungen innerer Organe, Ängsten und Stress leiden.

Foie fin statt Foie gras?

Ohnehin wird in dieser Branche häufig um Wörter gestritten. So betont z.B. Coop, man verkaufe nur „ungestopfte“ Entenleber (was, wie das Konsumentenmagazin saldo im vergangenen Jahr aufdeckte, zumindest für die Pastete nach Straßburger Manier nicht gilt). Wer nun aber glaubt, es handele sich dabei ausschließlich um – wie es heißt – „normale Schlachtleber“, liegt falsch. Auch so werden die Tiere nämlich solange überfüttert, bis deren Leber zu einer Größe von bis zu 350 Gramm anschwillt. Normal ist das keineswegs, denn normalerweise wiegt eine Gänseleber gerade einmal 50 Gramm. Obschon die Verteiler ihre Produkte aus dieser Art Mästerei beschönigend „Foie fin“ nennen, handelt es sich auch hierbei klar um eine Fettleber – und damit um „Foie gras“ im wörtlichen Sinn.

Schweizerische Doppelmoral

Wie kommt es eigentlich, dass solche tierquälerischen Produkte auch hierzulande verkauft werden dürfen? Die Frage ist berechtigt, denn immerhin ist es laut Schweizer Tierschutzverordnung verboten, Gänse und Enten zu stopfen (Art. 20 Abs. 1 lit. e TSchV). Nicht verboten ist dagegen, die Leber von so gemästeten Tieren zu importieren und als „Delikatessen“ anzupreisen. Es ist diese Doppelmoral, von der letztlich auch Großverteiler wie Migros oder Coop profitieren – und damit just jene Unternehmen, die sich bei jeder Gelegenheit das Tierwohl groß auf ihre Fahnen (oder Labels) schreiben.

Tatsächlich wird die Schweiz nicht müde zu betonen, sie habe das schärfste Tierschutzgesetz der Welt. Was aber bringt das, wenn jede erdenkliche Tierquälerei, die bei uns verboten ist, im Ausland eingekauft und für teures Geld verkauft werden darf? Hier ist die Politik gefordert – der Import solcher Produkte gehört ein für allemal verboten. Sicher, Aufklärungsarbeit ist weiterhin dringend nötig und kann vieles bewirken. Solange es aber völlig legal ist, Fettleber von Enten und Gänsen zu konsumieren, wird es immer Menschen geben, denen das Tierwohl egal ist oder die dem Gerede der Großverteiler über „tierfreundliche“ Mastmethoden Glauben schenken.

Wie sonst lässt sich erklären, dass jedes Jahr fast 500.000 Frösche in unser Land importiert werden, denen man mit einer Schere den Kopf abschneidet und sie dann zu „Froschschenkel“ verarbeitet? Oder dass jährlich bis zu 60 Millionen Eier aus ausländischen Käfigbatterien in die Schweiz gelangen – und damit in jenes Land, das sich rühmt, vor mehr als 20 Jahren als erste Nation der Welt die grausamen Legebatterien abgeschafft zu haben?

Die Fotos stammen aus einem Mastbetrieb mit über 10.000 Tieren im französischen Roc-Amadour © Klaus Petrus

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1 Kommentar

marc bonanomi
vor 9 Jahre

ich habe gehört,nur Denner verkaufe foie gras, und nur in der Welschschweiz. Jetzt hat COOP und Migros auch von diesem Pfuizeug? Wa stimmt jetzt?

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