4
Interview

„Wir konnten eine Grundsatzdiskussion über Tierversuche anstossen“

Ein volles Jahr dauerte der politische Kampf gegen den geplanten Laborbau der Universität Bern für 141 Milllionen Schweizer Franken. Ende Februar 2016 wurde er vom Stimmvolk klar genehmigt. Einer, der von Anfang an bei der Kampagne gegen den Neubau mit dabei war, ist der TIF-Aktivist Philipp Hoppen. Klaus Petrus hat ihn kurz nach der Abstimmung zu einem Gespräch getroffen.

Text: Tier im Fokus (TIF)

KLAUS PETRUS: Ende Februar 2016 stimmten über 70% der Berner Bevölkerung für den Laborneubau der Universität Bern. Warst Du enttäuscht? PHILIPP HOPPEN: Ich war eher überrascht. Nachdem im Berner Oberland rund 33% Nein-Stimmen gezählt wurden, war ich eigentlich zuversichtlich, dass es in den Städten noch höhere Prozentzahlen gibt. Immerhin waren wir dort in den letzten Wochen auf den Strassen sehr präsent. Das hat sich dann aber leider nicht bewahrheitet. Ein Jahr davor gab es in der Stadt Bern eine erste Demo gegen den Neubau. Damals konnte man spüren – oder besser noch hören –, dass hier etwas in Gang kommt. Tatsächlich, die Demo war eine Antwort darauf, dass der Grosse Rat den Neubau bewilligt hatte. Auf Initiative der Alternative Linke (AL) Bern hatten wir bereits davor zusammen mit der LSCV – Schweizer Liga gegen Vivisektion erfolgreich eine Petition mit über 3.000 Unterschriften lanciert. Und daraufhin wurde das Referendum ergriffen. Genau. Wichtig war dabei die Unterstützung der politerfahrenen Grüne Partei Bern – Demokratische Alternative (GPB-DA). Auch die Arbeitsgemeinschaft Schweizer Tierversuchsgegner AGSTG und die Schweizerische Vereinigung für die Abschaffung der Tierversuche ATRA schlossen sich dem Referendumskomitee an. Das Ganze wurde also zu einem Gemeinschaftsprojekt von politischen Parteien, Tierversuchsgegnern und Tierrechtsorganisationen. Im Juni 2015 war es dann soweit: Wir konnten beim Ratshaus in Bern über 11.000 Unterschriften deponieren. Wie habt ihr das geschafft? Es war harte Arbeit. Über drei Monate hinweg waren zahllose AktivistInnen unermüdlich unterwegs und haben Unterschriften gesammelt. Zusätzlich – und das war unerlässlich – hat die LSCV mit einem gross angelegten Postversand unsere Kampagne in viele Berner Haushalte hineingetragen. Der eigentliche Abstimmungskampf wurde dann in den vergangenen Wochen geführt – mit welchen Mitteln? Natürlich waren wir bis zur letzten Minute auf der Strasse aktiv. Daneben gab es aber auch verschiedene Veranstaltungen wie beispielsweise ein Podium mit der Tierethikerin Arianna Ferrari und Adriano Mannino von Sentience Politics, das wir übrigens an der Universität Bern durchführten. Auch lancierten wir dank der Unterstützung von LSCV, AGSTG und ATRA eine Plakatkampagne und schalteten parallel zahlreiche Zeitungsinserate auf. Ein weiteres Highlight war für mich die Mahnwache, die wir im Januar 2016 in Bern organisierten und an der auch eine Vertreterin der deutschen Organisation Ärzte gegen Tierversuche eine Rede hielt. Und doch hat es nicht gereicht. Hast Du dafür eine Erklärung? Abstimmungskämpfe sind bekanntlich eine sehr komplexe Sache. Was sich aber sagen lässt: Die gegnerische Seite war sehr breit aufgestellt, im Pro-Komitee waren alle grösseren Parteien von links bis rechts vertreten. Und es ist uns nicht gelungen, weitere Parteien umzustimmen, was für die Kampagne sicher von Vorteil gewesen wäre. Tatsächlich hat es uns letztlich an parteilicher Unterstützung gefehlt. Unter solchen Umständen sind fast ein Drittel Nein-Stimmen aber doch erfreulich, oder? Unbedingt. Überhaupt sehe ich viele positive Aspekte der Kampagne. Wir waren über Wochen hinweg in zahlreichen lokalen Medien präsent und konnten so viele Menschen zum Nachdenken bewegen. Ja, ich denke wirklich, dass wir hier in Bern eine Grundsatzdebatte über Tierversuche anstossen konnten. Erfreulich war für mich auch die Erfahrung der Zusammenarbeit unterschiedlicher Organisationen über einen längeren Zeitraum. Lohnt sich für eine Tierrechtsorganisation eigentlich das Engagement auf einer solchen politischen Ebene? Das lässt sich in meinen Augen nicht allgemein beantworten, man muss das von Fall zu Fall abwägen. Dennoch gibt es eine Reihe von Fragen, die man sich bei Kampagnen stellen sollte: Passt die Kampagne zum Image der Organisation? Welche Botschaften sollen mit welchen Mitteln vermittelt werden? Stehen genügend AktivistInnen hinter dem Anliegen, und sind sie bereit, viel Zeit und Energie zu investieren? Ist die Kampagne politisch breit genug abgestützt? Gibt es in der Bevölkerung eine gewisse Sympathie für das Anliegen? Wenn Faktoren wie diese berücksichtigt werden und die Umstände günstig sind, hat eine Tierrechtskampagne wohl gute Chancen, eine Debatte zu entfachen. Direkte Abstimmungserfolge scheinen dagegen im Moment noch unrealistisch zu sein.
Starte eine Diskussion

Noch keine Kommentare

Ähnliche Beiträge

«Die Schule ist kein Ort, um Werbung zu machen»
Weiterlesen

«Die Schule ist kein Ort, um Werbung zu machen»

Weiterlesen
«Die Tierschutzbewegung stilisierte einige Tiere als Kriegshelden»
Weiterlesen

«Die Tierschutzbewegung stilisierte einige Tiere als Kriegshelden»

Weiterlesen
«Werft unsere Geschichte nicht weg!»
Weiterlesen

«Werft unsere Geschichte nicht weg!»

Weiterlesen
«Der Drache war zuerst da!»
Weiterlesen

«Der Drache war zuerst da!»

Weiterlesen
«Der Schutz der Würde wird nicht durchgesetzt»
Weiterlesen

«Der Schutz der Würde wird nicht durchgesetzt»

Weiterlesen
«Wir sind ein Querschnitt der Gesellschaft»
Weiterlesen

«Wir sind ein Querschnitt der Gesellschaft»

Weiterlesen
«Die Initiative wäre der Start einer Veränderung»
Weiterlesen

«Die Initiative wäre der Start einer Veränderung»

Weiterlesen
«Es gab kein milderes Mittel, um den Tieren zu helfen»
Weiterlesen

«Es gab kein milderes Mittel, um den Tieren zu helfen»

Weiterlesen
«Mortalitätsraten in der Massentierhaltung dürfen nicht akzeptiert werden»
Weiterlesen

«Mortalitätsraten in der Massentierhaltung dürfen nicht akzeptiert werden»

Weiterlesen