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Reflexion

Die Maus im Haus: was tun?

In unserer neuen Rubrik "Reflexionen" finden sich persönlich gefärbte Gedanken über ganz unterschiedliche Facetten unseres Umgangs mit Tieren. Den Auftakt macht tif-Mitglied Urs Müller über die Maus im Haus…

Text: Tier im Fokus (TIF)

Neulich wohnte bei uns für ein paar Tage ein ungewollter Gast, eine Waldmaus. Ich wurde auf sie aufmerksam, als sie auf ihre abendlichen Streifzüge ging und durch Küche und Wohnzimmer huschte. Auf Grund des ihr eher negativ gestimmten Tenors in unserem Haus beschloss ich, eine Falle aufzustellen.

Dem Vollkornbrocken konnte die Maus offenbar nicht widerstehen und so fand ich sie am nächsten Morgen lebhaft in der Falle hockend, schnüffelnd nach allen Seiten. Wir fuhren mit ihr schliesslich in einen Wald und übergaben sie ihrem natürlichen Umfeld und ihrer Freiheit.

Bloss ein Schädling …

Mäuse in Häusern gelten für viele Menschen als „Schädlinge“, als tierliche Eindringlinge, die schleunigst wieder verschwinden sollten. Viele Individuen wie zum Beispiel unsere Waldmaus bezahlen dabei mit ihrem Leben, denn die für die meisten Menschen naheliegendste Methode, Mäuse loszuwerden, besteht darin, sie zu töten.

Das geschieht mit Hilfe von Fallen, welche die Maus, oder besser gesagt ihr Genick, erschlagen oder oft auch durch ein gerinnungshemmendes Gift, das zum innerlichen Verbluten führt. Bis zum Eintreten des Todes können dabei mehrere Tage verstreichen. Es gibt zwar Lebendmausefallen, aber die werden leider weniger oft verwendet als die todbringenden Methoden.

… oder doch ein empfindsames Lebewesen?

Die Frage stellt sich, was denn einem Menschen eigentlich das Recht gibt, so salopp über das Leben eines anderen Individuums zu entscheiden, ihm sämtliche Daseinsberechtigung abzusprechen und alles zu vernichten, was es hat und besitzt.

Ist die Maus, die es sich in meinem Heim gemütlich gemacht hat, nicht auch ein empfindsames Wesen, das doch genauso frei von Zwang und unbeschwert leben möchte wie ich? Ein Individuum, das ebenso Angst bei Gefahr und ebenso Freude im Kontakt und Spiel mit Artgenossen hat wie ich?

All dies wird meistens vergessen, da man die Individualität der Maus bewusst ignoriert und sie zum „Ungeziefer“ und Menschenfeind degradiert. Unsre eigene Einstellung zur Maus tritt in den Vordergrund, das tatsächliche Leben dahinter wird vollständig ausgeklammert. Mitgefühl hat man dabei lediglich mit sich selbst, man will sich den Schreck beim Anblick einer Maus ersparen oder ärgert sich einfach über ihre Anwesenheit.

Sein oder nicht sein: unsere Entscheidung?

Nun, es liegt wahrlich in unserer Hand, über das Leben einer Maus entscheiden zu können. Eigentlich liegt es auch in unserer Hand, über das Leben eines jeden anderen Wesens auf diesem Planeten entscheiden zu können. Wir haben die dafür notwendige Macht und können prinzipiell tun und lassen, was wir wollen.

Doch bedeutet Macht nicht automatisch auch Recht! Nur weil wir jemanden töten können – weil wir in der Lage sind, es zu tun –, heisst das noch lange nicht, dass wir es auch tun sollten oder dürfen. Hingegen haben wir auch die Möglichkeit, uns in andere Individuen hinein zu versetzen und ihr Leben, das für sie absoluten Wert hat, zu achten und zu schützen. Jedes dieser Leben verdient unsere Achtung, und zwar unabhängig von unseren Emotionen ihnen gegenüber oder ihres potentiellen Nutzens für unsere Zwecke.

Meiner Meinung nach sollten wir anfangen, diese Achtung in unserem alltäglichen Handeln auszudrücken.

Urs Müller ist Aktiv-Mitglied von tier-im-fokus.ch (tif) und studiert gegenwärtig an der Uni Luzern Philosophie. Von ihm stammt auch der Artikel „Leonard Nelson, vergessener Tierrechtler“.

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2 Kommentare

Isabel Andres
vor 12 Jahre

Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht. Da ich eine Katze im Haus habe, bringt sie natürlich oft Mäuse. Bin der gleichen Meinung wie Sie, Tiere sind Mitgeschöpfe.

Regina Kowalzick
vor 13 Jahre

Danke für diesen wunderbaren Text! Bin langsam Experte von Lebendfallen und für das Überwintern von Mäusen im Haus 🙂

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