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Nutztierhaltung

Eine Echse per Klick: Ausverkauf der Exoten

Der Handel mit exotischen Tieren boomt und noch nie war es so einfach, sich einen Privatzoo von Papageien, Vipern oder Geckos anzulegen. Besonders per Klick im Internet. Über die Machenschaften dieses Geschäfts und das Schicksal der Tiere wissen die wenigsten Bescheid. Was zählt, ist der Nervenkitzel, der Reiz des Exotischen. Von Klaus Petrus (tif).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Eigentlich ist es wie sonst auch: Sie wählen eine Kategorie, schauen sich ein wenig um, Sie klicken das Produkt an, aktivieren den Einkaufskorb, legen den Verpackungs- und Zahlungsmodus fest und schicken die ganze Sache los.

Nur ist, was Sie eben übers Internet bestellt haben, nicht ein Krimi, eine DVD oder ein Brettspiel, sondern eine Vogelspinne, eine Mamba, ein Graupapagei oder ein Gecko. Je nach dem ist eine erste Ration Futtermittel inklusive oder aber muss zusätzlich angefordert werden: Wüstenheuschrecken, Schaben oder gefrorene Baby-Mäuse, alles aus hauseigener Zucht.

In der Stube ein Privatzoo

Das Geschäft mit exotischen Tieren boomt, und noch nie war es für Privatpersonen so einfach, an sie heranzukommen. Besonders per Klick. Im Jahre 2005 hat eine Untersuchung des International Fund for Animal Welfare (IFAW) ergeben, dass in einem Zeitraum von lediglich sechs Tagen über 9.000 Wildtiere im Internet verhökert wurden, darunter Giraffen, junge Tiger, Gorillas und Schimpansen.

Ein Privatzoo in der Wohnstube? Bevor 2007 in Hessen die private Haltung gefährlicher Exoten grundsätzlich verboten wurde, gab es eine Erhebung, derzufolge allein in der Region Rhein-Main/Südhessen 186 Privatpersonen im Besitz von 2.515 gefährlichen Wildtieren waren: 268 Giftnattern, 49 Krokodile, 10 Schnappschildkröten, 1 Ozelot und 1 Puma. Unter anderem.

Mittlerweile gibt es in knapp der Hälfte der deutschen Bundesländer mehr oder weniger klare Bestimmungen, was die private Haltung von exotischen oder gefährlichen Tieren angeht. Das gilt auch für die Schweiz; dort ist der Besitz von Riesenschlangen, Fischen mit über einem Meter Länge, grossen Leguanen oder Giftschlangen inzwischen bewilligungspflichtig und exotische Vögel müssen prinzipiell aus Schweizer Nachzucht stammen.

Der Natur entrissen

Eine Garantie bieten solche Bestimmungen aber noch lange nicht, wie die Organisation Pro Wildlife zu bedenken gibt. Einer der Gründe besteht darin, dass viele der weltweit gehandelten Tiere durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (WA oder CITES) nicht geschützt sind; entsprechend wird der Handel häufig nur gering kontrolliert.

Dass viele dieser Lebewesen sogenannte Wildfänge sind, ist fest zu vermuten, vor allem, wenn sie aus Afrika, Asien oder Lateinamerika stammen. Genaue Zahlen existieren aber kaum. Handelsquoten regulieren – wenn es sie überhaupt gibt – bloss den Bestand jener Tiere, die exportiert werden dürfen. Über die Zahl der tatsächlich gefangenen Exoten schweigen sie sich aus.

Fest steht, dass der durch den gewaltsamen Fang verursachte „Verschleiss“ enorm ist. Die WA-Behörden gehen davon aus, dass rund die Hälfte der Tiere bereits vor dem Abtransport in die Abnehmerländer stirbt. Bei manchen Vogelarten beträgt diese „Präexport-Mortabilität“ 60 Prozent, bei gewissen Zierfischen sogar 80 Prozent. Hinzu kommen Verluste beim Transport. Dennoch rentiert das Geschäft, denn Wildfänge sind grundsätzlich billiger als Nachzuchten, die auf Farmen gehalten und durchgefüttert werden müssen.

Transportgerecht verpackt: Vogelspinne in Plastiktüte

So nimmt der Ausverkauf der Exoten unkontrolliert seinen Lauf. Bereits sind etliche Tierarten durch den internationalen und teilweise illegalen Handel ausgerottet oder zumindest arg dezimiert worden. Über die Hintergründe dieser Geschäfte sowie die Herkunft der Tiere wissen die wenigsten „Liebhaber“ Bescheid – vor allem, wenn sie die „Ware“ auf Tierbörsen oder bei Online-Anbietern erwerben.

In der Branche spricht man von einzelnen „schwarzen Schafen“, doch haben Untersuchungen verschiedener Organisationen ergeben, dass es sich um ein grossflächiges Problem handelt. Unzureichend oder gar nicht deklarierte Tiere sind keine Ausnahmen. So wurden 2008 laut Zollstatistik 17.000 Reptilien „ohne nähere Angaben“ in die Schweiz eingeführt.

Wildfang oder Nachzucht?

Auch der Hinweis „aus Nachzucht“ oder kurz „NZ“ ist offenbar nicht immer für bare Münze zu nehmen. Aufgrund gewisser Beschränkungen in den Importländern werden laut Pro Fauna Indonesia wild gefangene Tiere häufig schon in den Ursprungsländern in Zuchttiere umdeklariert. Beispielsweise werden Wildfänge als NZ angeboten, wenn sie vor dem Abtransport einige Zeit in Zuchtfarmen gehalten und an Käfige „gewöhnt“ wurden. Eine andere Strategie besteht darin, trächtige Weibchen einzufangen und die Jungtiere als Nachzucht weiterzuverkaufen. In der Praxis sei es ohnehin schwierig, Wildfänge von gezüchteten Tieren zu unterscheiden, meinen selbst die Fachleute.

Um derlei Machenschaften zu unterbinden, gibt es inzwischen auch in gewissen Exportländern Handelsverbote für Wildfänge. Doch können sie umgangen werden, indem die Tiere zwischen den Nachbarstaaten geschmuggelt werden. So kommt es vor, dass Graupapageien aus dem Senegal nach Holland verkauft werden, obschon es diese Tierart im Senegal nachweislich nicht gibt – wohl aber in der benachbarten Elfenbeinküste, in Sierra Leone oder in Liberia.

Am Anfang der Reiz, dann das böse Erwachen

„Überlegen Sie sich gut, was Sie kaufen!“ An das Verantwortungsbewusstsein der KundInnen appellieren inzwischen nicht bloss Tierschutzvereinigungen, sondern auch Händler. Doch vergebens, denn offenbar ist der Nervenkitzel stärker: Katzen, Hunde, Meerschweinchen haben alle, aber einen Papagei, einen Gecko, eine Klapperschlange?

Sieht man sich auf den einschlägigen Foren um, erhält man tatsächlich den Eindruck, dass der anfängliche Reiz des Exotischen nicht sonderlich lange anhält. Die Zahl der Tiere, die übers Internet weiterverkauft oder kostenlos an besonders „sachkundige“ Personen abgegeben werden, ist schier unermesslich. Die Gründe: es fehlt an Zeit, es fehlt an Geld, die Tiere sind plötzlich zu gross, sie sind dauernd krank, werden gefährlich oder ganz einfach nur lästig.

In der Tat, man kann sich in Exoten mächtig täuschen: Schildkröten, die beim Ankauf im Netz den Durchmesser eines Fünf-Franken Stücks haben, wachsen mit der Zeit auf eine Panzerlänge von 25 cm heran. Und werden 60 Jahre alt. Dieses Alter können Papageien ebenfalls erreichen. Leguane werden bis zwei Meter gross und leben bis zu 20 Jahren.

Was aber selten vorkommt. Neue Studien haben berechnet, dass über die Hälfte der Reptilien in Gefangenschaft aufgrund von „Haltungsfehlern“ vorzeitig sterben. Laut Pro Wildlife überleben gerade einmal 10 Prozent der importierten Königspythons das erste Jahr in privaten Terrarien.

Der Umgang mit exotischen Tieren, ob nun Wildfänge oder Nachzüchtungen, verlangt fundierte Kenntnis. Das kann im Zeitalter des Internets von allen jederzeit und bequem nachgelesen werden. Und doch scheinen sich viele TierhalterInnen nicht ausreichend zu informieren und sind überfordert. Auf der Verliererseite stehen die einst von ihnen bestaunten Exoten. Dass sie daraufhin abgeschoben, ausgesetzt oder einfach entsorgt werden, wirft unweigerlich eine grundsätzliche Frage auf: Was hat ein Gecko eigentlich im Wohnzimmer verloren?

Auf die Schnelle ein Affe, wieso auch nicht?

Während ich an diesem Artikel schreibe, surfe ich immer wieder auf dem Netz herum und klicke mich durch Seiten wie kijiji, ricardo, tier-inserate, inserate-schweiz oder tierinserate. Was einem da geboten wird, ist ein Bazar sondergleichen. Auskünfte über Besonderheit, Herkunft und Preis der „Ware“ kann man online beim Anbieter einholen.

So will eine Person ihren Arguswaran (Varanus panoptes horni) loswerden, weil sie eine „Ausbildung zum Verkehrspiloten“ beginnt und sich das Tier aus zeitlichen wie finanziellen Gründen nicht mehr leisten kann. In der Beschreibung heisst es (Rechtschreibung beibehalten):

Als Futter kann man dem Frechdachs alles anbieten, was er überwältigen kann: Mäuse, Ratten, Heuschrecken, Hünerherzen, Leber … Wie alle Hornis ist auch dieser eine Fressmaschine.

Noch gleichentags meldet sich ein Interessent:

Hallo ich bin gerade noch in Costa Rica im Dschungel. Gibt es denn Arguswaran noch? Ich selber halte 3.3 Halsbandleguane, 1.0 Nashornleguan, 0.0.3 Tejus, Stachelleguane und noch verschiedene Eidechsen arten.

Eine andere Person wendet sich ebenfalls an den Anbieter:

hallo ich suche schon lange ein schönes exemplar hatte bis jetzt nur schlangen und klein ächsen. Ist er schon weg? 2mx2mx1.5m könnte ich ihm zur vervügung stellen. gruss.

In zahlreichen Inseraten werden die Tiere gleich massenweise feilgeboten. Das betrifft Schlangen (vor allem Pythons), aber auch Echsen und Schildkröten:

Hallo hier sind einige bewunderswerte abgestrahlte Schildkröten und andere verwandte Arten zu verkaufen … Ich habe eine ganze Reihe … radiata, kleinmanni, Galapagos, hermanni, elegans, sulcata, marginata und viele andere. Die Preise sind moderat.

Auf einer Seite stosse ich dann auf folgendes Inserat (Rechtschreibung beibehalten):

weiblichen Affen zur Annahme
Honorable weiblichen Affen zur Annahme
Bitte, wenn Sie, dass Sie eine Person mit einem guten Herzen für die Pflege der Tiere zu denken, dann ist hier eine Chance für Sie in diesem weiblichen Affen greifen. werden wir sie Ihnen schicken mit all ihren Dokumenten und auch mit einer DVD, die Sie lehren, wie man sie kümmern und so bitte, wenn Sie daran interessiert sind, dann schicken Sie an uns Ihre Telefonnummer und Ihre E-Mail, damit wir Sie anrufen und senden Sie über alle ihre Informationen.

Als ich mich auf das Inserat melde, wird bestätigt, was mir Eva Waiblinger von der Fachstelle Heimtiere des Schweizer Tierschutz (STS) zuvor schon in einer Mail mitteilte und auch auf Foren und in der Presse unter dem Stichwort „Kamerun-Inserate“ die Runde macht: Die Affen seien in Afrika, so wird mir postwendend mitgeteilt, und wurden handaufgezogen; jetzt brauchen sie unbedingt ein schönes Zuhause. Ich solle einen Flughafen meiner Wahl mitsamt Adresse angeben und über Western Union oder PayPal eine An- bzw. Vorauszahlung von 100 US Dollar leisten. Dann werde das Tier losgeschickt.

Was aber bloss ein Trick sei, wie Waiblinger meint: „Logischerweise sieht man weder das Geld je wieder noch irgendwelche Tiere, denn die existieren gar nicht.“ Betrügerische Geschäfte per „Kamerun-Inserate“ werden nicht allein mit Affen betrieben, sondern vorzugsweise auch mit Papageien und Reptilien. Dass mittlerweile auch das deutsche Bundesamt für Naturschutz vor solchen Inseraten warnt und darauf hinweist, dass KäuferInnen bereits Tausende Euros verloren haben, zeigt zumindest, dass die Nachfrage besteht.

400 Euro für den Transport, „Lucy“ ist gratis

Ich reagiere noch auf ein weiteres Inserat, dieses Mal wird ein fünf Monate junger Affe angeboten. Auf meine Fragen hin gibt der Verkäufer an, dass er in Irland lebt und über einen Bekannten zu „Lucy“ gekommen sei. Er versichert mir, dass es sich um ein gesundes und artiges Äffchen handelt und hebt einige seiner guten „Manieren“ hervor:

I also want you to know that the monkey will never a day Urinate on you or in your car because when ever she wants to use the toilet and the toilet is locked with a key, she will come and climb on your body and then she will start making a nose such as Kitkitkitkit and then you will understand that she needs to use the Toilet.

Ich solle 400 Euro für den Transport einbezahlen, das Tier sei gratis. Als ich vorgebe, mich gerade in England aufzuhalten und dem Verkäufer anbiete, nach Irland zu fliegen, um ihn persönlich zu treffen, muss die betreffende Person, wie sie in der darauffolgenden Mail angibt, plötzlich nach Mexiko.

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