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Ernährung & Konsum

Milch: Fakten statt Mythen

Es gibt wohl kaum ein anderes tierliches Produkt, das dermassen mit Mythen behaftet ist wie Milch – so vor allem in der Schweiz. Wesentlich daran beteiligt ist die hiesige Branche mit ihren massiven Werbe- und Imagekampagnen. Dazu gehört auch der "Tag der Milch", den Swissmilk dieses Jahr am 26. April durchführte. Eine gute Gelegenheit, sich auf Fakten statt Märchen zu besinnen. Von Jessica Ladanie.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Die „Milchkuh“

Um Milch zu produzieren, muss eine Kuh jährlich ein Junges zur Welt bringen. Für eine sogenannte Milchkuh beginnt deshalb ab dem zweiten Lebensjahr eine unnatürliche Dauerschwangerschaft. Während der neunmonatigen Schwangerschaft wird das Muttertier bis wenige Wochen vor der nächsten Geburt gemolken. Um ihr Kalb zu ernähren, würde eine Kuh im Schnitt 2.500 Kilo Milch im Jahr benötigen. Heute ist eine Milchleistung von 10.000 Kilo keine Seltenheit mehr.

Foto © tier-im-fokus.ch (tif)

Diese hochgezüchteten Turbokühe leiden oft an zahlreichen Krankheiten (Fuss- und Beinkrankheiten, Euterentzündungen etc.), die meist mit Antibiotika behandelt werden müssen. Milch mit Antibiotikarückständen wird hierzulande an Kälber und Schweine verfüttert.

80% der Kühe werden aus gesundheitlichen Gründen geschlachtet – nach nur 4.5 bis 6 Jahren. Eine Kuh in natürlicher Umgebung hat eine Lebenserwartung von über 20 Jahren.

Das Kalb

Die Beziehung zwischen der Kuh und ihrem Neugeborenen wird in der Regel nach wenigen Stunden unterbunden und das Kalb mit billiger Ersatzmilch ernährt. Unter der Trennung leiden sowohl die Mutter als auch das Kalb, da ihre Bindung äusserst stark ist. Die weiblichen Kälber werden nach dem Entreissen den Platz ihrer Mutter in der Milchproduktion einnehmen. Männliche Tiere haben hingegen keinen Wert für die Milchindustrie.

Generell werden Kälber während den ersten beiden Wochen in Einzelboxen gehalten. Ab der dritten Lebenswoche ist die Haltung in kleinen Hütten, den sogenannten „Kälberiglus“, erlaubt. Obwohl Kühe sehr soziale Wesen sind, wird in der Igluhaltung einzig der Sichtkontakt zu anderen Artgenossen vorgeschrieben. Von der achten Lebenswoche an werden die Kälber in Gruppen gehalten und bald darauf nach Geschlechtern aussortiert: weibliche Kälber werden nach ca. 18 Monaten erstmals künstlich besamt, Bullenkälber werden nach ca. 5 Monaten geschlachtet.

Der Konsum von Milchprodukten unterstützt also direkt die Fleischindustrie. In der Schweizer Milchindustrie werden jährlich 250.000 Kälber getötet.

Bio Idylle

Foto © tier-im-fokus.ch (tif)

Damit ein Bio-Bauer überleben kann, muss auch er seine Kühe jährlich (meist künstlich) besamen lassen, da sonst die Milchleistung der Kuh abnehmen würde. Auch die Bio-Milch kommt zunehmend von hochgezüchteten und krankheitsanfälligen Kühen, die primär als Gebär- und Produktionsmaschinen dienen. Wie in der konventionellen Haltung wird der „glücklichen“ Bio-Kuh ihr Neugeborenes bereits nach wenigen Stunden entrissen und anschliessend gemästet und getötet.

Gesundheit

Kuhmilch ist die artgerechte Ernährung des Kalbes. Um das Körpergewicht in Kürze um ein Vielfaches zu erhöhen, ist die Konzentration an Nährstoffen, Hormonen und Eiweisse extrem hoch. Diese hohe Zusammensetzung kann den menschlichen Stoffwechsel überlasten und zu Erkrankungen der Haut (Neurodermitis, allergische Reaktionen etc.) oder der Luftwege (wiederkehrende Erkältungen, Nebenhöhlenentzündungen, chronische Bronchitis bis hin zu Asthma) führen.

Auch bei Kindern ist der Milchkonsum nicht unbedenklich, warnt die amerikanische Akademie für Kinderheilkunde, denn Kuhmilch kann bei Säuglingen zu Diabetes führen.

Ein Leben ohne Kuhmilch

In den Waren- und Reformhäusern gibt es schon heute unzählige Alternativen zu Milch und Milchprodukten, dazu gehören Soja-, Dinkel-, Reis-, Kokos- oder Nussmilch. Aus Sonnenblumenkernen oder diversen Nussarten lassen sich in Kürze die verschiedensten milch- und käseartigen Gerichte zaubern.

Probier’s aus – mach deine eigene Milch!

100-150 g deiner Lieblingsnüsse 8 Stunden in Wasser einweichen, danach kurz abspülen und mit einem Liter Wasser für ca. 2 Minuten auf höchster Stufe mixen. Als Süssungsmittel kannst du zum Beispiel Datteln oder Apfelsüsse verwenden. Anschliessend die durchmixte Flüssigkeit durch ein feines Sieb abgiessen oder durch ein Baumwolltuch drücken. Die Milch lässt sich problemlos 4 Tage im Kühlschrank aufbewahren. Das vollständige Rezept mitsamt Bildern findet sich hier.

Jessica Ladanie arbeitet als Verkehrs-Redaktorin und Reporterin bei Viasuisse in Biel. Sie engagiert sich bei tier-im-fokus.ch (TIF) in den Arbeitsgruppen Recherche und Aktivismus.

Mehr Informationen rund um den weissen Saft finden sich auf unserer Website speziell zur Milch.

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2 Kommentare

ueli ineichen
vor 8 Jahre

j.l.’s geschichte über milch und milchkühe ist mit datum von mitte april ’15 zwar schon überfällig. zu recht, weil sie deutliche fehler enthält: „dauerschwangerschaft“ passt zum schicksal von frauen (weibliche menschen!) vor der zeit der geburtenkontrolle, die hatten damals kaum einmal zeit, eine mens zu erleben.
eine kuh ist nicht schwanger, sondern trächtig. dem stier in freier natur überlassen, wird sie bei der ersten brunst (im alter von ca. 20 monaten) belegt werden und danach bei jeder ersten brunst nach der abkalbung erneut besprungen. das kalb wird ab geburt so lange an am euter der kuh hängen wie diese es zulässt. nach ca. 9 monaten versiegt die milchquelle, die erneut trächtige kuh stellt die milchproduktion ein. sie bereitet sich auf die neue abkalbung vor.
so viel zum sexlife vom rind in der natur und beim bauern.
ueli, biobauer

Bober Christine
vor 9 Jahre

Hallo, danke für die Infos. Wie wärs mit einem Stand an der BEA und anderen Messen? Und welche Lösungen zur Existenzsicherung der Bauern könnte man ihnen vorschlagen?
Alles Gute und sorry, dass ich nur „theoretisch“ mitmache und nicht praktisch. Bin hier auf dem Land selbst genug beschäftigt, im Moment ist Wildkatzensterilisation auf dem Program.
Viele Grüsse, Chrige

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