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Ernährung & Konsum

Mutterlose Kälber am „Tag der Milch“

Am 17. April war "Tag der Milch". Die Schweizer Milch-Lobby präsentierte sich in allen grossen Städten mit ihrer üblichen Propaganda und zementierte damit einmal mehr zahlreiche Mythen rund um die Milch. Für den Jööh-Effekt sorgten Kälber zum Anfassen. tier-im-fokus.ch (tif) war dabei…

Text: Tier im Fokus (TIF)

Ein eingestreuter Transporter mit einer Abschrankung vor der Rampe, darin drei Kälber zum Anfassen. Es ist „Tag der Milch“ (17. April) und der Jööh-Effekt unter den PassantInnen am Waisenhausplatz Bern ist beachtlich.

Foto © tier-im-fokus.ch

Ein Mädchen fragt nach der Mutter der Kälber. „Die wartet daheim im Stall auf sie“, klären die Eltern auf.

Als wir zu bedenken geben, dass diese Tiere kurz nach der Geburt ihren Müttern weggenommen werden, sind Eltern und Kind ehrlich verblüfft. Ob denn diese Kälbchen nicht von einem Bio-Hof stammen, fragen sie zurück.

Der Bauer gesellt sich zu uns und bestätigt, was die umliegende Menschengruppe so genau vielleicht gar nicht wissen wollte.

Zwei drei Wochen seien diese Kälber jetzt alt, gesund und gefrässig. Im Schnitt, so erklärt er geduldig, ist jedes zweite Jungtier ein Stierkalb. Die allermeisten (sie heissen in der Fachsprache „Bullenfresser“) kommen in die Mast und werden dann geschlachtet: die Bullenkälber bereits mit 5 Monaten und einem Lebendgewicht von 200 Kilogramm, die Mastrinder nach einem Jahr mit einem Gewicht von 500 Kilogramm. So oder so sind es Kleinkinder, die im Schlachthof landen, denn schliesslich können Hausrinder 20 Jahre und älter werden.

Und wie das nun sei mit den Kälbern und ihren Müttern?

Ja, so die Antwort des Bauern, diese Kälber werden bereits am ersten Tag von den Kühen getrennt. Denn je länger sie an ihnen saugen, desto schmerzhafter die Trennung. Und obendrein hätte das für die Milchleistung fatale Folgen: die Kuh würde beim Melken Probleme machen. Und ja, im Prinzip sei das überall so, auch auf Bio-Höfen.

Da die Kälber nicht an ihren Müttern saugen dürfen, besteht die Gefahr, dass sie sich gegenseitig besaugen. Um das zu vermeiden, werden sie einzeln gehalten oder ab der dritten Lebenswoche in sogenannte „Kälberiglus“ gesperrt. Dafür würden sie während den ersten Tagen aber Muttermilch erhalten, auch „Kolostrum“ oder „Erstmilch“ genannt, meint der Bauer.

Und natürlich möglichst früh schon Raufutter, also Heu. Denn das sei vom Tierschutz so vorgeschrieben. Und eigentlich auch für die Tiere besser, denn schliesslich seien auch Kälber Wiederkäuer.

Milchpropaganda: Kälber zum Anfassen © tier-im-fokus.ch

Früher habe man die Jungtiere einseitig mit Milch gefüttert, um weisses Kalbfleisch zu bekommen. Raufutter wie Heu habe man ihnen bewusst vorenthalten, denn das enthält Eisen und verleiht dem Fleisch eine rötliche Farbe.

Widernatürliche, tierquälerische Ernährung?

Dabei sei rötliches Kalbfleisch qualitativ ohnehin besser als weisses, lautet neuerdings die Propaganda. Also Tierschutz und Qualität in einem. Das sehen beispielsweise auch Migros und Coop so, denn sie wollen möglichst kein Fleisch mehr, das aus einer Mangelernährung der Kälber stammt.

Was der Bauer aber auch weiss: So einfach ist es in der Praxis offenbar nicht. Gerade letzte Woche hätte er auf ein Kalb einen Preisabzug von einem Tageslohn in Kauf nehmen müssen, weil einer der grössten Abnehmer im Lande meinte, das Tier habe „zuviel Rot angesetzt“. Aber so sei das halt: Am Ende kann nur verkauft werden, was gekauft wird.

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