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Haustiere im Porträt

Sima, das Leben ist ein Ponyhof

Sie trat mehr tot als lebendig in Esther Geissers Leben. Doch Sima kämpfte sich zurück. Heute spielt sie gerne, schwatzt viel, ist manchmal schlechter Laune – und isst, was ihr auch immer in die Quere kommt, ob Käfer oder Karton.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Sima, noch auf der Schwelle des Todes…

700 Gramm schwer war das kleine Häufchen Elend, das mir Janice auf Menorca übergab. Sie hatte es leblos in einem Feld gefunden.

So trat Sima mehr tot als lebendig in mein Leben. Wenn man den Tierärzten, die mit mir auf der Insel im Tierschutzeinsatz waren, hätte glauben dürfen, wäre es nur ein kurzes Intermezzo geworden. Alle waren sicher: diese Katze wird nicht überleben. Sie hätte in diesem Alter mindestens zwei Kilo wiegen sollen. Zuviel sprach gegen eine gute Prognose: entzündete Augen, schlimmer Durchfall, Dehydration, Apathie und Fieber.

Sima sollte aber alle eines Besseren belehren. Obschon ich sie in den ersten Tagen alle zwei Stunden zwangsernähren musste, bemerkte ich rasch, dass es sich hier um eine kleine Kämpferin handelte. Am vierten Tag ass sie zum ersten Mal selbst. Die Freude war riesig! Und von da an ging es stetig bergauf. Es dauerte zwar noch Monate, bis Sima wirklich gesund war, aber sie wurde es.

… heute gesprächig und spielsüchtig

Heute lebt Sima mit vier andern Katzen und mir zusammen und achtet darauf, dass es mir nie langweilig wird. Sie ist vom Alter her längst erwachsen geworden. Im Kopf aber scheint sie ein junges Kätzchen geblieben zu sein, das die verpasste Kindheit ewig nachholen will. Sie spielt für ihr Leben gern, ist oft überdreht und will möglichst viel Zeit mit mir verbringen. Fehlt mir diese, bricht ihr trauriges Gesicht mein Herz jeweils in Tausend Splitter.

Sima glaubt an das Gute und liebt jedes Wesen, es könnte schliesslich ein potentieller Spielgefährte sein. Was bei Hunden gefährlich werden kann, kommt bei Menschen gut an: ihr kindliches, vertrauensseliges Verhalten. Da sie gerne im Mittelpunkt steht, nehme ich sie hin und wieder an unsere Katzen-Weiterbildungsseminare mit. Die Menschen freut es und Sima noch mehr.

Selektiv intelligent?

Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob aufgrund der früheren Mangelernährung ihre kognitiven Fähigkeiten etwas eingeschränkt sind. Sie brauchte über ein Jahr, um zu verstehen, wie eine Katzentüre funktioniert. Gleichzeitig kann sie aber als einzige meiner Katzen Menschentüren öffnen!

Der Schalk steht ihr dann förmlich ins Gesicht geschrieben. Sie schwatzt gerne und oft, meist fröhlich. Ist sie ganz selten schlecht gelaunt, kann sie auch Krallen und Zähne zeigen. Aber selbst das Beissen hat bei Sima viele Facetten: von liebevoll zärtlich, über penetrant fordernd bis zu verärgert strafend gibt es alles in ihrem Repertoire. Man verzeiht es ihr, diesen Kulleraugen kann niemand böse sein.

Wenn niemand Zeit hat, Simchen, wie sie liebevoll genannt wird, zu bespassen, dann beschäftigt sie sich sehr gerne mit essen. Sie isst einfach alles, auch Blätter, Karton, Blumen, Käfer und Fliegen. Erstaunlich, dass wir den chronischen Durchfall dennoch erfolgreich besiegt haben. Vermutlich ist auch dieser Essensdrang ein Überbleibsel ihres tragischen Starts ins Leben. Aber diesen hat sie wohl längst vergessen. Für Sima ist das Leben heute ein Ponyhof, und ich bin froh darüber.

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