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Interview

«Wir verstehen uns als Teil der Tierrechtsbewegung»

In St. Gallen eröffnet diesen Samstag der erste vegane Laden der Stadt. Wieso es vegane Läden braucht und was die Fleisch-Fraktion dagegen plant, darüber sprach Tobias Sennhauser (TIF) mit der Geschäftsleiterin Sibylle Gutbub.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Im neuen Jahr verwirklicht Sibylle Gutbub ihren Traum. Die 29-jährige gelernte Buchhändlerin hatte auf Ende 2017 ihren Job als stellvertretende Filialleiterin bei Orell Füssli gekündigt. Nun will sie als Geschäftsleiterin von Vegantasia durchstarten, dem ersten veganen Laden in St. Gallen. Tobias Sennhauser (TIF) hat mit ihr kurz vor der Eröffnungsfeier gesprochen.

TOBIAS SENNHAUSER: Wie ist es zur Idee mit dem veganen Laden gekommen?
SIBYLLE GUTBUB: Alles entstand im Sommer 2017 als ich Renato Werndli an einer Demo gegen die Tierhaltung im Zirkus Royal kennenlernte. Er wollte in St. Gallen einen veganen Laden eröffnen. Ich lieferte ihm die Ideen dazu.

Nämlich?
Wir wollen mehr als «nur» ein Laden sein. Einmal pro Monat organisieren wir vegane Events. Im Februar wird jemand sein neues Kochbuch vorstellen. Geplant ist auch ein Vortrag zu Ethik und Veganismus.

Was kann man bei euch kaufen?
Wir haben ein breites Sortiment an Grundnahrungsmitteln wie Mehl oder Teigwaren. Selbstverständlich verkaufen wir auch zig Käse- und Fleischalternativen, Pflanzenmilchs, veganen Wein oder Kosmetikartikel, die nicht an Tieren getestet wurde. Auch vegane Hunde- und Katzennahrung haben wir im Regal.

Viele vegane Produkte verarbeiten Rohstoffe aus der EU. Führt ihr auch Schweizer Produkte im Sortiment?
Dort, wo es möglich ist, achten wir auf regionale Produkte. Das Mehl zum Beispiel beziehen wir bewusst aus der Schweiz. Ebenso die Pflanzenmilch.

Was ist mit frischem Obst und Gemüse?
Dazu sind wir leider zu klein. Ausserdem gibt es bereits eine Filiale der Migros in der Nähe, die diese Produkte anbietet.

Apropos Migros. Sie führt immer mehr vegane Produkte im Sortiment. Braucht es da vegane Läden überhaupt noch?
Auf jeden Fall. Mich schreckt der exzessive Fleischverkauf in den Grossverteilern ab. Als Veganerin wird das Einkaufen dort zur Tortur, da vegane Alternativen oft in der Nähe der Fleischtheke liegen. Bei uns bleibt man davon verschont. Ausserdem führen wir ein grösseres veganes Angebot und schauen bei Fleisch- und Milchalternativen auf Bio und Fair Trade. Vor allem aber verstehen wir uns als Teil der Tierrechtsbewegung.

Was heisst das?
Der Gewinn fliesst vollumfänglich in Projekte der Tierrechtsbewegung. Das ist uns sehr wichtig.

Welche Projekte sollen konkret gefördert werden?
Dafür ist Inhaber Renato Werndli zuständig. Er bestimmt, welche Projekte wir finanzieren werden. Bis jetzt hat er sich noch nicht festgelegt. Allerdings wird es wohl ein bis zwei Jahre dauern, bis wir erstmals Gewinn erzielen werden.

Andere Vegan-Läden haben Mühe, schwarze Zahlen zu schreiben. Wie steht es um die vegane Nachfrage in der Ostschweiz?
Vegan ist hier immer mehr am kommen. Letztes Jahr fand das vegane Strassenfest «Veganmania» in Gossau statt. Es kamen unglaublich viele Leute. Seit einiger Zeit gibt es die vegane Organisation Vegallen, die vegane Stammtische organisiert und auch auf der Strasse aktiv ist. Ausserdem gibt es ein neues Tibits und das vegane Restaurant Leckerei. Um eine vegane Nachfrage in der Ostschweiz machen wir uns also keine Sorgen.

Kurz vor Weihnachteten berichteten 20 Minuten, FM1 und Tele Ostschweiz, dass eine anonyme Gruppe mit dem Namen «Fleisch = Kulturgut» gegen euch protestieren will. Was sagst du dazu?
Mit Gegenwind haben wir gerechnet. Ich war sofort skeptisch, wie ernst man diese Leute nehmen muss. Unterdessen haben sie es sich ja wieder anders überlegt.

Was ist passiert?
Renato Werndli hat vorgestern einen anonymen Brief erhalten. Darin warfen sie uns vor, wir hätten ihre Aktion an die Medien «verpetzt». Deshalb würde die Gruppe ihr Vorhaben nun abblasen.

Viel Lärm um nichts also. Hat euch die Gruppe unter dem Strich gar geholfen?
Allerdings. «Fleisch = Kulturgut» war beste Werbung für uns. (lacht) Wir bekamen durch die Publicity aber auch viel Negatives zu hören. Auf 20 Minuten gab es über 500 Kommentare.

Am Samstag, dem 6. Januar 2018, findet die Eröffnungsfeier statt. Was dürfen die Leute erwarten?
Es gibt einen veganen Königskuchen zum degustieren. Der/die KönigIn bekommt 10 Prozent Rabatt auf das gesamte Sortiment. Und es gibt veganen Glühwein!

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