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Ernährung & Konsum

Kein Pelz, ok! Aber kein Leder?

Auf Lederprodukte verzichten, gilt als "übertrieben", "extrem", "sektiererisch". Wer sich auf Fakten einlässt, wird aber schnell bemerken, dass dieses Urteil eigentlich haltlos ist. Hier sind fünf Gründe, die dafür sprechen, keine Lederprodukte zu kaufen. Von Klaus Petrus (tif).

Text: Tier im Fokus (TIF)

1. Ethik: In jedem Fall inklusive Tierleid!

Ob Schuhe, Jacken, Hosen, Gürtel, Taschen, Koffer, Portemonnaies, Etuis, Sofas, Sessel, Sattel, Hundeleinen oder Fussbälle: Leder, so eine weit verbreitete Ansicht, sei bloss ein Nebenprodukt der Tierindustrie.

Richtig daran ist, dass über 80 Prozent des weltweit verarbeiteten Leders von Rindern, Kälbern, Schafen, Ziegen und Schweinen stammen. Und damit von Tieren, die in erster Linie für die menschliche Ernährung genutzt werden. Die allermeisten von ihnen werden unter sogenannt intensiven Bedingungen gehalten. Niemand kann heutzutage noch ernsthaft bestreiten, dass Lederprodukte vor allem von Tieren stammen, die in Massentierhaltungen eingesperrt, gemästet und geschlachtet wurden.

In diesem Zusammenhang lohnt es sich hervorzuheben, dass es praktisch unmöglich ist, die Häute von Tieren aus anscheinend „artgerechter Haltung“ getrennt zu erfassen: Die Menge ist zu klein, die Konservierung und Verarbeitung zu aufwändig. Folglich werden sie mit dem „Material“ aus konventionellen Tierfabriken verwertet.

Wenn Leder tatsächlich „nur“ ein Nebenprodukt der Tiernutzung darstellt, ist es entsprechend als letztes Glied in der langen Kette eines höchst fragwürdigen Umgangs mit „Nutztieren“ zu betrachten. Zumindest von einem moralischen Standpunkt dürfte es nicht möglich sein, den Konsum von Lederprodukten von Problemen der Tiernutzung abzukoppeln.

Hinzu kommt: Nicht in jedem Fall ist Leder ein Produkt, das „nebenher“ anfällt. Es gibt Tierarten, die fast ausschliesslich wegen ihrer Haut gejagt und zur Strecke gebracht werden. So etwa Krokodile, Alligatoren, Eidechsen, Schlangen, Tiger, Leoparden, Zebras oder Elefanten. Einige dieser Tiere sind durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen geschützt. Andere werden oft unter artwidrigen Bedingungen auf engstem Raum in Zuchtfarmen aufgezogen, und ihr einziger Sinn ist es, in ein Luxusprodukt „verwandelt“ zu werden.

2. Ökonomie: Auf Kosten der Armen!

Dass die meisten Lederprodukte aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Brasilien, China und Indien stammen, ist ein offenes Geheimnis.

Der Grund ist einfach: Weil die Lederproduktion sehr kostspielig ist, findet sie häufig in Ländern mit niedrigem Lohnniveau und geringen ökologischen Auflagen statt. So bezahlen zum Beispiel deutsche Importeure für ein Paar Schuhe aus China keine 5 Euro.

Für jene, die diese Billigwaren herstellen müssen, stellt die Lederproduktion ein grosses Risiko dar. Schon Ende der 1990er Jahre war zu lesen, dass ein Grossteil des in Europa verkauften Leders von indischen Kindern hergestellt wird, die an giftigen Chemikalien erkranken – eine Situation, die sich bis heute nicht wesentlich verbessert hat.

3. Ökologie: Leder ist Sondermüll!

Immer häufiger wird eingeräumt, dass es sich bei Lederprodukten wortwörtlich um Sondermüll handelt.

Als ökologisch problematisch gelten Substanzen, die bei der Chromgerbung ins Abwasser gelangen. Dazu gehören chemische Salze und Schwermetalle wie Zink, Cadmium, Arsen und Chrom-III-Salze, die sich in die 1.000 mal giftigeren Chrom-VI-Salze umwandeln können.

Auch die Entsorgung von alten Lederwaren schafft Probleme. So entstehen durch den Abfall von Schuhen, Jacken und Polstermöbel aus Leder allein in Deutschland jährlich 160.000 Tonnen Sondermüll.

Entsprechend häufen sich Empfehlungen für eine Herstellung von „ökologisch unbedenklichem Leder“. Unternehmen, die „Öko-Leder“ produzieren, sind aber rar. Denn alternative Verfahren wie die pflanzliche Gerbung sind zeitaufwändig und vor allem: kostenintensiv.

Davon abgesehen bestehen Zweifel, ob es sich bei der Pflanzengerbung tatsächlich um ein ökologisch vertretbares Verfahren handelt. So werden häufig Gerbstoffe aus Mimosa oder Quebracho verwendet. Letzerer ist ein in Südamerika wildwachsender Baum, der rund 150 Jahre alt sein muss, damit er ausreichend Gerbstoffe enthält. Schon vor zehn Jahren war sein Bestand an einigen Standorten „gefährdet“, und zwar wegen Übernutzung durch die Lederindustrie.

4. Gesundheit: Lederprodukte sind riskant!

Dass chemische Gerbverfahren für den Menschen gesundheitliche Risiken bergen können, ist seit längerem bekannt. In den vergangenen Jahren wurden diese Auswirkungen aber intensiver untersucht.

Die Resultate sind ernüchternd: Die unterschiedlichen Prozesse der Lederproduktion können Schadstoffe verursachen, die Leber, Nieren und das Nervengewebe angreifen oder krebserzeugend wirken.

Besonders heikel ist sechswertiges Chrom (Chrom VI). Zwar werden in den EU-Ländern vor allem Chrom-III-Salze verwendet. Doch finden sich in den Produkten immer wieder Rückstände des hochgiftigen Chrom VI. Einer der Gründe besteht darin, dass sich Chrom III in Chrom VI umwandeln kann. Zudem wurde die Lederproduktion in den vergangenen Jahrzehnten in Schwellen- und Entwicklungsländern verlagert – und damit in Regionen, die schon aus ökonomischen Gründen nicht auf alternative Gerbmittel zurückgreifen können.

Vor allem Lederprodukte, die im Kontakt mit der menschlichen Haut stehen (Uhrenbänder, Schuhe oder Handschuhe), werden als prekär eingestuft, falls sie Chrom-VI-Rückstände enthalten. Nach Meinung der Fachleute weisen solche Verunreinigungen ein krebserregendes und erbgutschädigendes Potenzial auf. Zudem gelten sie als starkes Allergen.

5. Konsum: Es gibt Alternativen!

Das allermeiste Leder weltweit stammt von Tieren aus Massentierhaltungen © tier-im-fokus.ch

Leder ist keine Ware, auf die Menschen normalerweise angewiesen sind. Kein Wunder also, dass es im freien Handel oder bei spezialisierten Versandhäusern immer mehr Alternativen zu jeder Sorte von Lederprodukten gibt, seien es Jacken, Gürtel, Taschen, Portemonnaies oder auch Schuhe.

Als pflanzliche Alternativen gelten unter anderem Baumwolle, Hanf und Leinen, wobei empfohlen wird, Produkte aus kontrolliert biologischem Anbau zu kaufen. Synthetische Alternativen sind Nylon, Vinyl, Alcantara sowie diverse Recyclingstoffe.

Bei Produkten, die wasserfest sein sollten, sind bislang Anteile von Kunstfasern kaum zu vermeiden. Im Vergleich zu Lederprodukten weisen einige der synthetischen Materialien in etwa die gleiche Umweltverträglichkeit auf. Spezialisierte Unternehmen für lederfreie Produkte richten ihre Firmenpolitik überdies häufig nach den Prinzipien des fairen Handels aus.

Also: Hände weg vom Leder!

Kein Leder mehr: eine „übertriebene“, „radikale“, „sektiererische“ Einstellung?

Stellt man in Rechnung, woher der „Rohstoff“ für diese Produkte stammt, wie er verarbeitet wird und welche Auswirkungen sich daraus ergeben können, dürfte sich eine solche Einschätzung kaum rechtfertigen lassen.

Lederprodukte werden aus Tieren gewonnen, die unter moralisch unhaltbaren Bedingungen gehalten und getötet werden, sie werden häufig in wirtschaftlich und sozial benachteiligten Regionen hergestellt, sie belasten die Umwelt und können für den Menschen gesundheitsschädigend sein.

In einer Gesamtbilanz für oder wider den Kauf von Lederwaren wiegt all das umso schwerer, als wir auf Produkte dieser Art keineswegs angewiesen sind und Alternativen fast immer zur Verfügung stehen.

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4 Kommentare

Janine
vor 10 Jahre

@ Daniel Andres – ja natürlich, dann lieber aussterben als nur zur Nutzung gehalten zu werden. Oder würdest du Nachwuchs produzieren wenn du wüsstest, dass dein Nachwuchs sein Leben bis zur Schlachtung im Käfig verbringen wird? Das ist doch kein Leben.
Und was spricht dagegenen, Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum leben zu lassen. Ist dir schonmal ein wildes Huhn im Wald begegnet? Also mir nicht, traurig eigentlich.

Carin folkerts
vor 13 Jahre

Wo liegt der Unterschied zwischen Schwein, Rind Nerz oder Chinchilla? Ich kann ihn nicht erkennen. Die Tötung von Schweinen oder Rindern zur Nahrungsmitttelgewinnung ist nicht notwendig. Daher liegt nach deutschem Tierschutzgesetz kei „Vernünftiger Grund“ zur Tötung dieser Tiere vor. Die Produkte dieser Tötungen, als nicht nur Fleisch sondern auch Leder, basieren also auf dem Straftatbestand der Tierquälerei, – genau wie die Produkte der Pelzfarmen, die ihre Tiere allein ihrer Felle wegen morden und ihre Körper ungenutzt auf den Müll werfen.

Thorsten Emberger
vor 13 Jahre

@Daniel Andres: Die Logik ist nicht „daneben“, sondern zutreffend und konsequent.
Ziegen, Schafe, Rinder und Geflügel wird es auch ohne die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung weiterhin und in ausreichender Anzahl geben. Denn es gibt tatsächlich Menschen, die in diesen Tieren mehr sehen als reine „Fleischlieferanten“ und diese Tiere halten, wie es für andere bei Hund und Katze selbstverständlich ist. Gerade Hausschweine haben inzwischen schon eine regelrechte Fangemeinde und werden gerne hobbymäßig gehalten, ohne dass diese fürchten müssen, irgendwann als Schnitzel zu enden.
Weil man etwas über jahrtausende hinweg so gemacht hat, muß es deswegen nicht richtig sein. Mit dieser Argumentation könnte man heute auch noch an Kannibalismus, Hexenverbrennung, Unterdrückung der Frauen festhalten. Nur weil sich solche Verbrechen über Jahrhunderte hinweg gehalten haben, sind sie deswegen noch lange nicht rechtens.
Und die Masse an Nutztieren nimmt völlig automatisch in dem Moment ab, in dem wir aufhören sie für „unseren Bedarf“ zu züchten und künstlich zu vermehren.

Daniel Andres
vor 13 Jahre

Die Logik ist ein bisschen daneben. Wenn generell nur noch art- und tiergerechte Haltung zugelassen wäre, könnte man auch dem Gebrauch von Leder zustimmen. Ein „Denkfehler“ auch bei der totalen Abschaffung der Nutztierhaltung: seit Jahrtausenden gibt es Ziegen, Schafe, Rinder, Pferde, Esel, Geflügel usw. usw. das durch den Menschen gehalten wird. Sollen wir diese Tiere auswildern oder einfach aussterben lassen?

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