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Nutztierhaltung

Ein Leben in Schwangerschaft

Offenbar meinen viele Leute, dass eine Kuh nur einmal gebären muss, um dann ihr Leben lang Milch zu geben. Andere glauben, die von ihnen konsumierte Milch sei jenes Erzeugnis, das übrigbleibt, nachdem die Kuh ihr Kälbchen gesäugt hat. Mit der Realität haben solche Wunschvorstellungen allerdings nichts zu tun. Von Klaus Petrus (tif).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Offenbar glauben viele Leute, dass eine Kuh nur einmal gebären muss, um dann ihr Leben lang Milch zu geben. Andere meinen, die von ihnen konsumierte Milch sei jenes Erzeugnis, das übrigbleibt, nachdem die Kuh ihr Kälbchen gesäugt hat. Mit der Realität haben solche Wunschvorstellungen allerdings nichts zu tun.

Woher kommt die viele Milch?

Um ihr Kalb zu ernähren, würde eine Kuh täglich rund 8 Liter Milch geben. Bereits anfangs der 1980er Jahre waren es 14 Liter täglich – und zwar ausschliesslich für den menschlichen Bedarf. Mitte der 1990er Jahre stieg die Produktion auf 16 bis 18 Liter pro Tag an, heutzutage sind es im Schnitt 22 Liter Milch. Das ergibt (berechnet auf eine Laktationsdauer von 305 Tagen) bis zu 7.000 Liter im Jahr. Bei speziellen Rassen wie Holstein-Friesian, Jersey oder Brown-Swiss sind „Milchleistungen“ von 10.000 Litern keine Seltenheit mehr.

Spätestens hier stellt sich die Frage: Wie werden derartige „Erträge“ erzielt? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Kühe müssen ständig Milch liefern, und das können sie nur dann, wenn sie ständig Kälber gebären.

Besamt, gemolken, geschlachtet

Üblicherweise gebären Kühe erstmals nach 24 bis 32 Monaten, die Trächtigkeit dauert, wie beim Menschen, neun Monate. Ab der sechsten Woche nach Geburt des Kalbes lässt die Milchproduktion nach. Das ist der Zeitpunkt, da die Kuh bereits wieder „belegt“ wird, d.h. von einem Bullen gedeckt oder, was heute die Regel ist, künstlich besamt, also zwangsgeschwängert wird.

Während dieser Phase wird sie weiterhin zweimal pro Tag gemolken. Abgesetzt werden die Melkmaschinen erst zwei Monate vor Geburt des zweiten Kalbes, damit sich das Alveolargewebe des Euters erholen kann. Die Phase der Milchabgabe, auch „Laktation“ genannt, dauert somit 305 Tage pro Jahr.

Heutzutage gelten drei bis vier Geburten (= „Abkalbungen“) für die angestrebte Milchmenge als ausreichend, bei sogenannten Hochleistungskühen genügen offenbar bereits zwei Geburten. Dann haben die Tiere ausgedient und landen im Schlachthaus: „Verkürzte Nutzungsdauer“, nennt man das im Jargon. Heute lebt eine Milchkuh im Schnitt noch 4.5 bis 6 Jahre, obschon Rinder 20 Jahre und älter werden können.

Dass eine Kuh nur einmal ein Junges gebären muss, um dann ihr Leben lang Milch zu geben, trifft also nicht zu. Tatsache ist, dass den Kühen praktisch ununterbrochen Milch entzogen wird, während sie fast ununterbrochen schwanger sind.

Mutterlose Kälber

Von allem und jedem getrennt: Kalb im „Iglu“ © tier-im-fokus.ch

In der Dichtung oft besungen, von der Verhaltensforschung vielfach bestätigt – die innige Beziehung der Kühe zu ihren Kälbern gibt es tatsächlich. Nur werden die Familienbande in der industriellen Milchviehwirtschaft gezielt durchtrennt.

Schon wenige Tage nach der Geburt nimmt man den Müttern – Biokuh hin oder her – ihre Kinder weg. Die Kälber werden häufig mit einem Milchersatz abgefertigt, in „Kälberiglus“ gesperrt, dann nach Geschlechtern sortiert, dann gemästet, dann geschlachtet: die Bullenkälber nach einem halben Jahr mit einem Lebendgewicht von 200 Kilogramm, die Mastrinder ab 12 Monaten mit rund 500 Kilogramm. Auch da macht „Bio“ keinen Unterschied.

Die Vorstellung, dass Milch ein Erzeugnis sei, das für den Menschen übrig bleibt, nachdem die Kuh ihr Kalb gesäugt hat, erweist sich spätestens jetzt als Trugbild: Die Erstmilch erhält das Kalb nur in den ersten Tagen nach der Geburt, und zwar aus einem Nuckeleimer.

Rentable Kälbermast

Aus den Reportagen von Manfred Karremann und anderen wissen wir: Alljährlich werden allein aus Grossbritannien eine Viertel Million Kälber unter nachweislich qualvollen Bedingungen nach ganz Europa transportiert, wo sie zu Kalbfleisch verarbeitet werden. Ein unbestritten lukratives Geschäft. Das lohnt sich auch für Deutschland, wo jedes Jahr 400.000 Mastkälber auf den Markt geworfen werden. Führend in der EU sind die Niederlande mit rund 800.000 Kälbern hinter Frankreich mit einem jährlichen Kontingent von einer Million.

Auch in der Schweiz wird von 716.000 Kälbern, die jedes Jahr zur Welt kommen, nur jedes dritte gross gezogen. Die restlichen werden zu Kalbfleisch verarbeitet.

Apropos vegetarisch

Angesichts dieser Zahlen sowie dem Schicksal, dem die Tiere ganz und gar unfreiwillig ausgesetzt sind, dürfte sich für einmal selbst eine Plattitüde bewahrheiten: Wer Milch will, kriegt auch Fleisch! Wenn auch Menschen, die (lakto-)vegetarisch leben, gerne für sich in Anspruch nehmen, dass ihretwegen keine Tiere getötet werden.

Das ist, man muss es laut aussprechen, eine bemerkenswert eingeschränkte Sicht auf ein Segment der Tiernutzungsindustrie, das mit einem penibel durchdachten System weibliche Rinder und deren Kinder restlos ausbeutet, tötet und verwertet.

Sich informieren ist der erste Schritt! Nehmen Sie sich Zeit und stöbern Sie in diesen Materialien:

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2 Kommentare

Hannah
vor 11 Monaten

Sich informieren bedeutet aber auch, sich über alles schlau zu machen und nicht nur alles schlecht zu reden. Es bedeutet, daß im Endeffekt das gleiche geschieht wie in der Natur. Nämlich, daß die Kuh nach 6-8 Wochen nach Abkalbung gedeckt, in unserem Fall besamt, wird. Eine Kuh in freier Wildbahn würde ihr Kalb 7-9 Monate säugen bevor sie es selbst absetzt und sich trocken stellt um sich für die folgende Geburt und das kommende Kalb zu „erholen“. Soweit also deckungsgleich zu dem, was in der Landwirtschaft betrieben wird. Es macht auch einen großen Unterschied ob die Kuh ihr Kalb mehrere Wochen bei sich hatte oder lediglich 1h. Denn die meisten Kühe, auch Erstkalbende, reagieren nach 1h mit dem Kalb kaum darauf, daß dieses „weggenommen“ wurde. Und eine Nutzungsdauer von 3-4 Jahren. Muss ich leider dagegen sprechen. In den meisten Ställen ist der Altersschnitt der Tiere um die 10 Jahre. Also beachtliche höher als oben genannt,oder? Sie werden nicht einfach ohne Grund geschlachtet oder sonstiges. Das passiert meist nur bei Krankheiten, Lahmheiten etc welche einfach nicht mehr kuriert werden können ohne der Kuh mehr leiden zu verursachen. Wenn es der Kuh schlecht geht und man sie nicht länger leiden lassen will zb. Natürlich kannst du einer Kuh mit gebrochenen Bein permanent Schmerzmittel geben und hoffen, das sie es selber nicht überschätzt. Einem Tier kann man notgedrungen nicht sagen, das es jetzt die nächsten 8 Wochen liegen bleiben muss um gesund zu werden. Und ja, es werden vorher Tierärzte, Klauenschneider und alle möglichen Leute zu Rate gezogen, die dem Tier helfen können. Da entstehen ganz schnell einmal Rechnungen in Höhe von mehreren Hundert bis gar Tausend Euro. Das wird natürlich aber gar nicht erwähnt, es könnte ja ein besseres Licht auf die Bauern werfen. Was habe ich also in diesem Artikel hier gelernt? Das sehr gern mit völlig falschen Informationen um sich geschossen wird oder wichtige Infos einfach gar nicht zur Sprache gebracht werden. Das ist schade, aber leider nicht änderbar. Und der Verweis zu den „Quellen“ wäre leider nur dann wirklich interessant, wenn es sich nicht um Seiten der gleichen Website handeln würde. Denn was dabei herum kommt kann man sich denken wenn man den Artikel hier gelesen hat. Schade.

Heidemarie
vor 7 Monaten

Kühe haben sehr starke soziale Bindungen, auch zu ihren Kälbern. Was die Milch- und Fleischindustrie diesen Lebenwesen antut, ist schlicht pervers. Ja, ein Leben lang geschwängert und ausgebeutet, so sieht das Leben einer Milchkuh aus. Wer gibt uns das Recht mit einer anderen Spezies so umzugehen, wer??? Dieses Recht haben wir nicht! Kühe sind wie alle Tiere nicht dazu da, sie auszubeuten. Unsere Tierschutzgesetze hinken dem respektvollen Umgang mit Lebewesen weit hinterher. Tiere sind, Kühe, Schweine, Geflügel im besonderen, fühlende Wesen! Es ist schlicht grausam, wie weit die menschliche Spezies sich aus Gründen der Profitgierigen von einem mitfühlenden, respektvollen Umgang mit Tieren entfernt hat. Alleine das Wort NUTZTIERE zeigt auf, wie profitorientiert dieses System ist. Mögen in der Gesellschaft endlich, endlich Augen und Herzen sich öffnen für diese Qual, der nur der konsequente Verzicht auf Milch, Fleisch, Eier und andere tierische Produkte ein Ende setzten! Aus Liebe, aus Liebe zu den Tieren. Wir haben kein Recht Tiere zu nutzen, sie einzusperren, zu töten, zu konsumieren! Bitte lebt vegan – den Tieren zu Liebe 💚! Ich danke Ihnen.

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