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Nutztierhaltung

Behaartes Tierleid deklarieren

Der Kampf gegen Pelz ist vielschichtig und dauert seit Jahrzehnten an. Nun leistet die Schweiz mit der neuen Pelzdeklaration Pionierarbeit. Doch der Erfolg ist ungewiss. Von Tobias Sennhauser (TIF).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Per 1. März 2014 müssen sämtliche Pelze in den Warenhäuser deklariert werden. KonsumentInnen sollen auf einen Blick erfahren können, von welcher Tierart der Pelz stammt, wo das Tier gelebt hat und ob es für die Pelzindustrie gezüchtet oder als Wildtier gefangen wurde.

Mit der Deklarationspflicht leistet die Schweiz europaweite Pionierarbeit. Die Massnahme geht in die richtige Richtung, findet der Schweizer Tierschutz (STS) gegenüber SRF. Doch die Probleme werden damit nicht gelöst. „Es gibt keine artgerechte Pelztierhaltung“, stellt der STS-Präsident Heinz Lienhard klar.

„Pelz ist untragbar“

Der Kampf gegen das Tragen von Pelz wurde hierzulande 1982 lanciert, als der Kassensturz Recherchen des Schweizer Filmemachers Mark Rissi veröffentlichte und damit die Schweiz schockierte. Heute setzen sich sämtliche etablierte Tierschutzorganisationen gegen Pelz ein. International für anhaltendes Aufsehen sorgt die Tierrechtsorganisation PETA, für die Models und Promis gemäss dem Slogan „Lieber nackt als im Pelz“ die Hüllen fallen lassen.

Neben der Kundschaft zielt die Pelzkritik auch auf Modehäuser. In Deutschland verfolgt das Bündnis Offensive gegen die Pelzindustrie die Abschaffung des Pelzhandels. Auch der Verein gegen Tierfabriken in Österreich demonstriert seit Jahren wöchentlich vor dem Modeunternehmen Kleider Bauer. Das führte im Jahr 2010 schliesslich zum kafkaesken Tierschutzprozess.

Trotz internationaler Pelz-Proteste: nach einer Flaute in den 90ern boomt das Geschäft mit den Tierhäuten heute wieder, und zwar sowohl Nachfrage als auch Produktion. Entsprechend stark angestiegen sind in den letzten Jahren auch die Weltmarktpreise.

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Diagramm: Weltweite Nerz-Pelzproduktion und Marktpreis; aus: NZZ 23. Juli 2013

Produktion: abgeschafft oder tierquälerisch

Während international die Produktion steigt, verbieten immer mehr Länder die Pelztierhaltung. Dazu gehören England, Schottland und Wales. In Kroatien, Bosnien Herzegowina und Holland laufen noch Übergangsfristen bis 2017, 2019 resp. 2024 Pelzfarmen schliessen müssen. Das weltweit erste Verbot trat übrigens 1998 in Österreich in Kraft, und das nachdem sich der VgT-Obmann Martin Balluch und andere AktivistInnen im Büro des verantwortlichen Politikers anketteten.

In der Schweiz gibt es seit 1981 ein faktisches Verbot für Pelztierfarmen. Die neue eidgenössische Tierschutzgesetzgebung schraubte die gesetzlichen Anforderungen derart empor, dass die Pelzproduktion unrentabel wurde. Nun sind Zoo-ähnliche Bedingungen wie ein grosses Gehege, Schlafboxen sowie Bade- oder Grabgelegenheiten vorgeschrieben. Auch in Deutschland zwingen Reformen jährlich einige der wenigen Pelzfarmen zum Aufgeben.

Doch in vielen anderen Ländern bleibt die Produktion legal bzw. rentabel. Zu den grössten Playern gehört neben Europa auch China. Die Gitterkäfige für sogenannte Pelztiere sind normiert. International gibt es kaum Unterschiede, was die Haltungsbedingungen anbelangt. Das liegt auch daran, dass die EU-Gesetzgebung keine Richtlinien für Pelzfarmen definiert.

Die Pelzbranche beteuert, dass sie die Haltungsbedingungen verbessert habe. Undercover-Recherchen aus Polen (2011-2012), Tschechien (2012) oder China (2013) zeichnen indes ein anderes Bild. Auch Mark Rissi bestätigt gegenüber dem Blick, dass „die Haltung von Mardern, Füchsen und Nerzen heute noch genauso mies ist wie vor 30 Jahren.“

Gescheitertes Importverbot im Parlament

Pelzfarmen wurden hierzulande geschlossen, doch die Nachfrage blieb bestehen. Um tierquälerische Pelzimporte zu verbieten, lancierte Pascale Bruderer (SP) 2009 eine parlamentarische Initiative. Sie appellierte darin an den Bundesrat, der gemäss Artikel 14 des Tierschutzgesetzes die Kompetenz hat, den Import tierquälerisch produzierter Produkte zu verbieten.

Importverbote sind allerdings juristisch umstritten. Die Welthandelsorganisation (WTO) erlaubt sie nur unter bestimmten Bedingungen. Die Autoren eines Gutachtens der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) halten jedoch ein Importverbot von Pelzprodukten mit den Regeln der WTO vereinbar. Für die Autoren würden die im Ausland produzierten Pelze hierzulande als Tierquälerei gelten, weshalb Pelzimporte die Wertvorstellungen der Schweizer Bevölkerung tangieren.

Bruderers Initiative fand zwar Zustimmung im Nationalrat, scheiterte jedoch im Ständerat. Die kleine Kammer befürchtete Sanktionen der WTO, wie sie der Berner Rechtsprofessor Thomas Cottier in einem vom Schweizerischen Pelzverband Swissfur in Auftrag gegebenen Gutachten prophezeite. Statt für Verbote argumentiert Cottier für Labeling-Bestimmungen.

Deklaration wirkungslos, dafür mit Schlupflöchern

Genau das wird jetzt mit der neuen Pelzdeklaration umgesetzt. Das Zürcher Warenhaus Jelmoli deklarierte seine Pelze bereits in der Saison 2013/14. Doch das beeinflusste das Kaufverhalten der KundInnen nicht. Der Verkauf von Pelzen nahm gegenüber dem Vorjahr sogar zu, wie eine Jelmoli-Sprecherin gegenüber der SRF-Sendung Espresso erklärte.

Das könnte an den Schwächen der Deklaration liegen. Der neue Verordnungstext lässt nämlich markante Schlupflöcher zu. Einerseits muss die Region nicht präzise angegeben werden: „Kann die Herkunft des Fells nicht einem Land zugeordnet werden, so ist der kleinstmögliche geografische Raum anzugeben, aus dem das Tier stammt“. Andererseits darf selbst über die Gewinnungsart spekuliert werden: „Kann aus Fallenjagd oder Jagd ohne Fallen oder aus jeder möglichen Haltungsart, insbesondere auch aus der Käfighaltung, stammen“.

Mit anderen Worten: Wer etwas zu verbergen hat, bekommt mit der neuen Deklarationspflicht die juristische Grundlage.

Die Tierpartei Schweiz (TPS) fordert in einer Petition das Verbot von tierquälerischen Pelzimporten. tier-im-fokus.ch (TIF) unterstützt dieses Anliegen, genauso wie die zweite aktuelle Petition der TPS: Baujagdverbot im Kanton Zürich.

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