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Rezension

„Katzen würden Mäuse kaufen“ (Hans Ulrich Grimm)

Was essen unsere sogenannten Haustiere eigentlich, woher kommt das Futter und wer verdient damit sein Geld? Das Buch "Katzen würden Mäuse kaufen" von Hans-Ulrich Grimm blickt hinter die Kulissen dieses Zweigs der Tierindustrie und deckt die Machenschaften von Agrarmärkten und Nahrungsmittelkonzernen auf. Eine Rezension von Tobias Sennhauser (tif).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Hans-Ulrich Grimm, Katzen würden Mäuse kaufen, Heyne 2009, ca. CHF 12.–

Der Ernährungskritiker Hans-Ulrich Grimm schreibt in „Katzen würden Mäuse kaufen: Schwarzbuch Tierfutter“ über die dubiosen Geschäfte der Agrarmärkte und Nahrungsmittelkonzerne, bei denen trotz steigendem Informationsbedarf seitens der Bevölkerung ein Kerngebiet oftmals vergessen geht: die Herkunft und Herstellung von Futtermittel.

Angesprochen werden HaustierhalterInnen, die wissen wollen, was sie ihren Schützlingen täglich in den Fressnapf füllen und welche Auswirkungen die Ernährung auf die Tiere hat.

Darüber hinaus bietet das Buch Einsicht in die moderne Nahrungsmittelproduktion, deren Fabriken neben Lebensmitteln auch regelmässig Skandale produzieren. So gesehen dürfte die Lektüre auch für ErnährungskritikerInnen interessant sein.

„Katzen würden Mäuse kaufen“ umfasst neben 242 Seiten harte Fakten über Futtermittel auch rund 10 Seiten Literaturangaben, so dass für weiterführende Informationen gesorgt ist.

Inhalt

Haustiere haben schon immer unseren Müll gefuttert, daran hat sich bis dato nichts geändert. Doch mit den veränderten Produktionsbedingungen änderte sich auch die Nahrung der Haustiere. Heute wird unseren Schützlingen der Abfall der industriellen Nahrungsmittelproduktion serviert, versetzt mit Aromen, Geschmacksverstärkern, Vitaminen und Spurenelementen.

Auf dem Speiseplan der Haustiere stehen unter anderem folgende Zutaten: Produkte der Fleischmühle wie z.B. die „frisch geschlüpften männlichen Küken, die sich naturgemäss nicht zum Eierlegen eignen“ (S.22) oder auch Schlachtabfälle wie Haut, Knochen oder Geschlechtsteile, die zu Tiermehl und Fett verarbeitet werden, weil sie für den menschlichen Verzehr nicht geeignet sind.

Eben dieses Tiermehl wurde mittlerweile zum „Symbol für die Perversion der modernen Agrarproduktion“ (S. 52), gilt es doch als Auslöser für BSE. Neben dem Zusammenhang zwischen Tiermehl und BSE dokumentiert Grimm auch zahlreiche andere Verstösse, die im Agro-Business regelmässig geschehen. EHEC oder Dioxin, beides Ursachen von Nahrungsmittelskandalen im Jahr 2011, gehören seit über 10 Jahren zu den üblichen Verdächtigen.

Abgesehen von der zweifelhaften Herstellungsweise sind die industriellen Futtermittel für Haustiere auch aus gesundheitlicher Sicht umstritten. Zunehmend im Bereich „Functional Food“ angesiedelt, soll das Hightech-Futter bestimmte Bedürfnisse stillen. KritikerInnen verdächtigen jedoch die „artfremden Ingredienzen der industriellen Tiernahrung als Krankheitsauslöser“ (S. 62) für typische Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Krebs, die auch bei Haustieren immer öfters zu den Todesursachen zählen.

Nicht unerwähnt lässt Grimm auch die sogenannten Nutztiere, deren Futtermittel ein wichtiges Geschäft für die Agrarkonzerne darstellen. Dieses entspricht oftmals nicht den natürlichen Essgewohnheiten, sondern ist auf Leistungsförderung ausgerichtet (z.B. Getreide statt Gras). Zudem würden Futtermittel gezielt mit Hormonen angereichert, um das Wachstum zu fördern. Ebenso zur Sprache kommt auch das „Reizthema Gentechnik“ (S. 204), das zwar in der Bevölkerung auf Ablehnung stosse, von der Agro-Industrie aber vor allem für den Futtermittelanbau auf politischer und wissenschaftlicher Ebene gefördert würde.

Als Ausweg präsentiert der Autor eine Reihe von Möglichkeiten, die primär auf rohe, nicht-verarbeitete Nahrungsmittel hinauslaufen und plädiert für mehr Eigeninitiative der TierhalterInnen anstelle von industriellem Fast-Food mit hohem „Pfui-Teufel-Faktor“ (S. 43).

Kommentar

Mit dem Geschäft der Futtermittel begibt sich Hans-Ulrich Grimm auf unbekanntes Terrain. Gerade die Herkunft oder Herstellung von Futtermitteln ist mangelhaft dokumentiert. Der Autor zeigt darüber hinaus die demokratiepolitisch bedenkliche Verstrickung von Agrar- und Nahrungsmittelkonzernen auf, die dazu führe, dass es trotz regelmässigen Skandalen unmöglich sei, das System zum Positiven hin zu verändern.

Obwohl auch die Futtermittel der sogenannten Nutztiere erwähnt werden, begnügt sich Grimm mit der Kritik an artfremder Nahrung. Hier hätte man die Problematik tiefer durchleuchten und auch die ökologisch sowie sozio-politisch bedenklichen Monokulturen in Südamerika erwähnen können.

Sehr zurückhaltend gibt sich Grimm gegenüber der Frage, wie sich der Mensch grundsätzlich gegenüber Tieren verhalten sollte. So erwähnt er zwar den veränderten Umgang mit Haustieren, stellt diesen jedoch nicht mit dem Konsum von tierlichen Produkten in Relation. Gerade die Diskrepanz zwischen (Haus-)Tierliebe und (Nutz-)Tierkonsum – die sogenannte Doppelmoral oder moralische Schizophrenie – ist indes ein wichtiger Gegenstand der modernen Tierethik.

Fazit

Trotz begrenzten Informationen über Nutztiere und der fehlenden ethischen Bewertung des heutigen Mensch-Tier-Verhältnisses, kommen beim Kauf dieses mit vielen Fakten untermauerten Werkes sowohl Tier-Interessierte wie auch ernährungskritische LeserInnen voll und ganz auf ihre Kosten.

Hans-Ulrich Grimm ist deutscher Journalist und Buchautor. In seinen zahlreichen Veröffentlichungen warnt der ehemalige Spiegel-Redakteur vor industriellen Lebensmitteln. Besonders bekannt ist sein Bestseller Die Ernährungslüge. Grimm ist ausserdem verantwortlich für den Internet-Dienst Dr. Watson: Der Food Detektiv, ein Informationspool für Ernährungsfragen, und regelmässiger Interview-Gast.

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4 Kommentare

Katzen Mami
vor 3 Jahre

Katzen und Ernährung… ein leidiges Thema. Ich habe schon zahlreiche Diskussionen zum Thema geführt. Jeder gibt seiner Katze etwas anderes zum Essen. Meine Katze liebt Trockenfutter. Ich gebe ihr seit Jahren die Selbe Marke und wechsle des öfteren wieder den Geschmack. Manchmal gebe ich meiner Katze auch Putenwurst. Sie kommt gut damit klar.

Rea
vor 11 Jahre

Wenn man den Verdauungstrackt einer Katze bzw. eines Hundes genauer anschaut, wird einem spätestens dann klar, dass NUR eine Ernährung artgerecht ist: 80% Fleischanteil, der Rest: Gemüse, Früchte, Nüsse, Fette usw.
Deshalb heisst die Lösung: Frischfleisch! (zB von bones4dogs oder naturaDOG).
Ich persönlich halte SEHR VIEL von Hans-Ulrich Grimm. Es ist immer wieder „schön“ seine Bücher, Artikel zu lesen.

Tobi
vor 11 Jahre

ich persönlich frage mich, inwiefern „natürlich“ bei Haustieren noch angebracht ist. Immerhin kontrollieren wir fast sämtliche Bereiche ihres Lebens, bspw. sind wir auch für die Futterwahl verantwortlich.

So gesehen halte ich vegane Katzennahrung für keinen Widerspruch, sofern die Katzen sie isst und verträgt.

beides ist übrigens bei meinen knapp jährigen Katzen der Fall. Das Trockenfutter AmiCat, das es im Netz zu bestellen gibt, mögen sie am liebsten. Dazwischen gibts auch schon mal Nassfutter von Vegusto. Gerade kürzlich habe ich ihre Blutwerte testen lassen: es ist alles im grünen Bereich.

Schlussendlich musst du gemeinsam mit der Katze entscheiden, was „das Richtige“ ist. Grundsätzlich gilt: Vegane Katzennahrung ist verfügbar und genauso unnatürlich wie anderes (Napf-)Futter. Nicht alle Katzen lassen sich jedoch von ihren Gewohnheiten abbringen.

Raphael
vor 11 Jahre

Was macht man denn jetzt eigentlich nun als Tierhalter? Und sowieso als Veganer?
Tierische Produkte kommen da ja eigentlich eh nicht in Frage. ABER: grad in diesem Buch wird ja offenbar auch die unnatürliche Ernährung angeprangert. Und gerade bei Katzen betrachte ich doch vegane Nahrung auch als unnatürlich.
Was bleibt da noch übrig? Keine Katzen zu halten ist die letzte Alternative und die gefällt mir gar nicht.
Was ist hier „das Richtige“?

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