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Rezension

„Fleisch essen, Tiere lieben“ (Theresa Bäuerlein)

Vegetarisch liegt im Trend. Kein Wunder also, dass nun auch kritische Meinungen vorgebracht werden. Die Autorin und Journalistin Theresa Bäuerlein macht mit ihrem Buch "Fleisch essen, Tiere lieben" im deutschsprachigen Raum den Anfang einer Debatte, die sich in den nächsten Jahren intensivieren dürfte. Eine Rezension von tif-Mitglied Tobias Sennhauser.

Text: Tier im Fokus (TIF)

Theresa Bäuerlein, Fleisch essen, Tiere lieben, München 2011, ca. CHF 20.–

Innert kurzer Zeit gesellt sich ein weiteres Buch in die Reihe derjenigen, die unseren Umgang mit Tieren kritisch hinterfragen. Nach Jonathan Safran Foers Tiere Essen (2010) und Karen Duves Anständig Essen (2011) kommt nun Theresa Bäuerleins Fleisch essen, Tiere lieben auf den Markt.

Vegetarisch liegt im Trend. Kein Wunder also, dass nun auch kritische Meinungen vorgebracht werden. Bäuerlein macht mit ihrem neuen Buch im deutschsprachigen Raum den Anfang einer Debatte, die sich in den nächsten Jahren intensivieren dürfte.

Hauptthesen und Zielpublikum

Die Autorin zeigt die desaströsen Folgen der Massentierhaltung auf, doch im Gegensatz zu vielen Organisationen preist Bäuerlein nicht den Vegetarismus als Lösung an. Vielmehr entkräftet sie zahlreiche Argumente, die für die vegetarische Lebensweise sprechen und vermeintlich zur Rettung des Planeten beitragen.

Weidende Nutztiere würden für nachhaltigen Dünger benötigt. Die Forderung nach der Abschaffung der Nutztierhaltung sei also kurzsichtig. Ferner sieht Bäuerlein die Ursache für den Welthunger nicht in der Tiermast, sondern in der Armut, und ein Sonntagsbraten sei dem Klima, der Gesundheit und glücklichen Tieren zumutbar.

Der Untertitel des Buches – „Wo Vegetarier sich irren und was Fleischesser besser machen können“ – zeigt deutlich, welche Ziele Bäuerlein verfolgt und an wen das Buch adressiert ist: Vegetarier liegen falsch. Doch auch Fleischesserinnen müssen sich bessern, weil die Massentierhaltung die Welt zerstört. Das Buch richtet sich damit an bewusste KonsumentInnen, die gerade mit der Gabel etwas verändern, aber das Fleischmesser nicht unbenutzt lassen wollen.

Wandel der Landwirtschaft

Theresa Bäuerlein führt in ihrem Buch aus, dass die heutige Landwirtschaft zerstörerische Dimensionen angenommen habe und knapp 1 Milliarde Menschen hungern lassen würde. Die Hungerproblematik sei jedoch nicht auf Tierhaltung zurückzuführen, sondern auf Ignoranz und politische Kurzsichtigkeit. Nahrung wird nämlich laut Bäuerlein bereits im Überfluss produziert, nur stimme die Verteilung nicht.

Um den desaströsen Charakter der Landwirtschaft zu beheben, müsse diese dringend reformiert werden. Bäuerlein schwebt ein geschlossenes Landwirtschaftssystem vor, wo Rinder wieder auf die Weide dürfen und gleichzeitig für den Dünger zuständig sind.

Die Düngerfrage werde oftmals ausgeblendet, wenn von der tierfreien Landwirtschaft gesprochen wird. Dabei gehe vergessen, dass auch Pflanzen Nahrung zum Leben benötigen: Neben der Energie, die sie durch das Sonnenlicht via Fotosynthese aufnehmen, brauchen Pflanzen auch Nährstoffe. Diese nehmen sie primär über die Böden auf.

Die Hauptnährelemente sind Stickstoff, Phosphor und Kalium. Sie werden den Pflanzen üblicherweise in Form von Dünger zugefügt. In Zeiten vorindustrieller Landwirtschaft seien dafür Nutztiere verantwortlich gewesen. Heute hingegen kommt meist Mineraldünger zum Einsatz, bedauert Bäuerlein. Die Herstellung von Mineraldünger benötige nämlich grosse Mengen an Erdöl, weshalb Mineraldünger nicht nachhaltig sei. Für eine zukunftsfähige Nahrungsmittelproduktion brauche es tierlichen Dünger, allerdings in weit geringeren Mengen als dies heute der Fall ist. Damit die Exkremente der Nutztiere die Böden nicht überdüngten, müsse der Bestand drastisch verkleinert werden.

Bäuerlein liefert damit ein Argument gegen unökologischen Mineraldünger, nicht jedoch für den Fleischkonsum. Theoretisch könnten auch Tiere gehalten werden, ohne sie als FleischlieferantInnen zu missbrauchen, um die Düngerfrage zu lösen. Erdöl- und tierfreie Alternativen wie Gründüngung, Pflanzenjauche oder Kompost sind im Übrigen durchaus vorhanden, müssen jedoch noch verbessert werden, um die globale Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.

Obwohl die Düngerfrage keineswegs ausgeklammert werden darf, gibt es in Bezug auf Nutztierhaltung und Konsumverhalten dringendere Probleme. Da momentan weniger als 1 Prozent der Menschheit vegan lebt, bleibt der Forschung noch einige Zeit, um an der Umsetzung der bio-veganen Landwirtschaft zu arbeiten.

Lernstunde für VegetarierInnen

Neben der tierfreien Landwirtschaft greift die Autorin auch den Vegetarismus als Ernährungsform an und trägt Fakten zusammen, die „selbst fanatische Latte-Trinker unter ihrem Milchbart erbleichen lassen“: „Die Milch- und Eierindustrie hat nachtschwarze Seiten, die der Fleischindustrie allzu oft in nichts nachsteht. Trotzdem gilt Vegetarismus als tierfreundliche Ernährungsweise. Angesichts der Realität, die Hühner und Kühe erleben, ist das bestenfalls ein schöner Traum, schlimmstenfalls bewusste Ignoranz.“

Auch die Milchwirtschaft sei keineswegs so idyllisch wie die Werbung vorgibt. Bäuerlein weist darauf hin, dass Bio-Kühe gleichermassen unter den Folgen der Hochleistungszucht zu leiden haben und deshalb, egal ob konventionell oder bio, mit Antibiotika behandelt werden müssen.

Nicht besser geht es in der Eierindustrie zu: Weil die Brüder der Legehennen keine Eier legen und für die Mast nicht geeignet sind, würden sie gleich nach dem Schlüpfen getötet, alleine in Deutschland betrifft das pro Jahr 45 Millionen Küken. Und wiederum ereilt „Öko-Hähne“ dasselbe Schicksal.

Bäuerlein dokumentiert die gröbsten Misshandlungen in der Massenproduktion und verweist damit den Vegetarismus in die Schranken. Sie ignoriert jedoch die system-immanente Gewalt, die mit der Nutztierhaltung einhergeht. Soziale Bindungen werden beispielsweise bewusst zerstört und die damit verbundene psychische Gewalt in Kauf genommen. Daran würde sich auch mit besserer Haltung nichts ändern.

Bewusstes Töten – aus Respekt vor dem Leben

„Dürfen wir das?“ fragt Bäuerlein gegen Ende des Buches und widmet sich damit der moralischen Streitfrage bezüglich der Nutztierhaltung: Dürfen wir Tiere zur Nahrungsgewinnung züchten, mästen und töten, obwohl Alternativen verfügbar sind?

„Der Tod ist mit im Spiel“, meint Lierre Keith, auf deren Buch The Vegetarian Myth die Autorin des Öftern zurückgreift. Wie wir uns auch ernähren, es müssten immer Lebewesen sterben. Bäuerlein scheint zwischen der Maus, die möglicherweise im Mähdrescher landet und dem Schwein, das eigens zum Schlachten gezüchtet und gemästet wurde keinen Unterschied zu sehen.

Als Lösung für die ethische Problematik beim Fleischkonsum schlägt Bäuerlein vor, der Nahrung wieder in die Augen zu schauen. An einem sogenannten Porkcamp sollen KonsumentInnen wieder lernen, woher (bzw. von wem) das Fleisch stammt und eine Alternative zur industriellen Schweinemast ausprobieren können. Bäuerlein ist begeistert vom kollektiven Schlachtfest, bei dem das Fleischessen durch bewusstes Töten vermeintlich legitimiert wird.

Fazit

In Zeiten, in denen FleischesserInnen vermehrt aus der Defensive argumentieren und für den seltenen, bewussten Tierkonsum werben, kommt Bäuerlein mit ihrem Taschenbuch gerade recht: „Fleisch essen, Tiere lieben“ ist ein Plädoyer zur Rettung des Fleischkonsums.

Theresa Bäuerlein ist eine deutsche Autorin und Journalistin. Vor Erscheinen ihres Sachbuches Fleisch essen, Tiere lieben schrieb sie für Zeit Online die Kolumne Gewissensbisse, in der es um ethische Fragen der Ernährung ging. Ein Interview zum Thema findet sich in der FAZ vom 18.05.2011, eine weitere Rezension des Buches von Bäuerlein stammt von Martin Pätzold.

Tobias Sennhauser ist aktiv-Mitglied von tier-im-fokus.ch (tif) und studiert gegenwärtig an der Uni Fribourg. Weitere Texte von ihm:

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4 Kommentare

Marco
vor 12 Jahre

@ Silke:
„Das mit den Eiern und der Milch ist ein Problem, jedoch gibt es auch hierfür Lösungen[…]“

Die gibt es, und zwar Veganismus.

Nicht die Massentierhaltung ist das Problem, die Gefangenhaltung und die Ausbeutung sind es (egal wie die „Haltungsform“ etikettiert wird).

Nicht das Verspeisen der Leichname ist das Problem, die Ermordung an sich ist es. Und die ist leider auch den Milchkühen, Legehennen und deren Nachwuchs gewiss (egal wie die „Haltungsform“ etikettiert wird).

Silke
vor 12 Jahre

Danke, Maro, Sie sprechen mir aus der Seele. Ich finde dieses Buch schrecklich, bin selbst Vegetarier und kann es gar nicht fassen. Jeder sollte sich überlegen ob er in der Haut des Tieres stecken will, das er gerade ißt und wie es wohl gelebt hat und gestorben ist. Das mit den Eiern und der Milch ist ein Problem, jedoch gibt es auch hierfür Lösungen, es darf keine Massentierhaltung entstehen, dann kann das schon klappen. Tiere brauchen Auslauf, müssen artgerecht leben können, so wie wir Menschen uns das auch wünschen. Dass man sowas überhaupt diskutieren muss ist ein Armutszeugnis für alle die, die das nicht verstehen (wollen).

maro
vor 12 Jahre

hier ein link über eine aktuelle hungersnot in afrika die 10 millionen menschen betrifft.

maro
vor 12 Jahre

Theresa Bäuerlein täuscht sich in vielen arrgumenten:
so wie menschen keine tierischen produkte zum leben brauchen, so braucht auch die erde keinen tierischen dünger zum überleben und fruchtbar zu sein. es gibt genügend pflanzlichen dünger wie gründüngung, beinwell, brennesseljauche, schachtelhalmjauche, getrocknete grüne algen, kompost in allen varianten und variationen, kalkalgen, gesteinsmehl verschiedenster steinarten, trester von trauben, äpfeln, etc., getreidestroh, blätter von bäumen. Alle diese pflanzen setzen mineralien um und schleusen sie in den kreislauf. es ist unnötig, dass die pflanzen dazu durch den magen eines tieres hindurch müssen. ganz speziell sind aber die regenwürmer, diese machen mit ihrer verdaung eine immense arbeit für die fruchtbarkeit des bodens und zum mineralien umsatz. leider gehen sie zu tausenden ein, wenn gülle auf dem land ausgebracht wird. Also viel ahnung hat die autorin von pflanzlicher düngung nicht.
auf der erde gibt es etwa 2 milliarden grosse „nutztiere“ und diese müssen täglich fressen und zwar grössere mengen als menschen. Es ist doch klar, dass diese in direkter nahrungskonkurenz zu menschen stehen. Es braucht sehr sehr viel land um dieses tierfutter anzubauen, da etwa nur 30 prozent sich von reiner grasswirtschaft ernähren. Es würde sehr viel land frei werden ohne nutztiere und den menschen zur verfügung stehen damit es keine hungernde menschen gäbe.
jedes tier hat nur ein leben und hängt daran wie die menschen auch. wir haben keinen anspruch auf deren leben und die tiere würden auch nicht in ihre tötung einwilligen. sie werden ungefragt von menschen umgebracht und gegessen, mit respekt und bewusstheit hat das gar nichts zu tun.
Die arrgumente der autorin T.B. sind schwach und lassen sich allemal problemlos entkräften.

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